Presseecho

Das dokumentarische Porträt

 

»Ist damit aber auch das Versprechen hinfällig, dass ein Porträtfilm in glücklichen Momenten im Gegenüber so etwas wie »das verborgene Muster, nach dem sich ein Leben lebt« (Heinz Bude) aufspürt? Ein populärer Dokumentarfilm wie »Amy« (2015) unternimmt eine Rekonstruktion der unglücklichen Karriere der Sängerin Amy Winehouse und bedient sich dabei neben Interviews mit Zeitzeugen und Archivmaterial ausgiebig bei Privatfilmen, die die Sängerin recht unmittelbar zu zeigen vorgeben. Der Film nutzt diese Nähe, um scheinbar authentisch eine Verschwörungstheorie von unterlassener Hilfeleistung aus Geldgier aufzuwärmen. Am Ende ist der Zuschauer aber der »wahren« Amy Winehouse auch nicht näher gekommen als beispielsweise dem Phantom Thomas Pynchon in dem Essayfilm »Thomas Pynchon – A Journey into the Mind of [p.]« (2001) von Fosco und Donatello Dubini, dessen Material­grundlage lediglich aus einem Namen, zwei Fotos und einer Handvoll Spuren bestand.

Ein Letztes: Was, wenn das Scheitern des Dokumentaristen am Porträt zu einem rhetorischen Kniff würde, der Authentizität signalisiert und Autor wie Objekt gleichermaßen dient? Andrea Roggon hat ihren Film realisiert, Helge Schneider sein Geheimnis gewahrt. Und die Fans von Helge Schneider bekommen im Kino genau den aasigen Helge zu sehen, den sie lieben. Der sich die Freiheit nimmt, zu gehen, wann er will, der nicht mitspielt und sich nicht ­»knacken« lässt.«

filmdienst 25/2015, 08. 12.2015 (Ulrich Kriest)

»Eines der Schlüsselthemen des Porträts ist die Haltung der Filmemacher zu ihren Protagonisten: Wie viel Nähe darf sein, wie viel Distanz muss sein? Diesbezüglich wird gegenwärtig unter Dokumentaristen weitgehend psychologisch gedacht, bis hin zum Film als therapeutischem Instrument. Einen ganz anderen Ansatz vertritt da der Leipziger Dokumentarist Lutz Dammbeck, der aus der bildenden Kunst kommt und dessen dokumentarische Arbeiten immer aufs Ganze zielen, aufs System, nicht aufs Individuelle und aufs Psychologische. So war es schon in „Das Netz“. Sein neuer essayistischer Film „Overgames“ befasst sich mit dem nach psychiatrischen Kriterien geprägten US-Konzept der Reeducation, der Umerziehung der Deutschen nach dem Faschismus – kein Porträt im engen Sinne, sondern ein Gesellschaftsporträt. (...) „Overgames“ ist kein einfacher Film, sondern vielschichtig, sperrig, provozierend. Keiner, bei dem man mit Einfühlung über die Runden kommt – das war auch aus den in Köln vorgeführten Ausschnitten erkennbar. Dazu noch handelt es sich um eine freie künstlerische Arbeit, die sich um die Komplexität des Stoffes kümmert, nicht um Zielgruppen und Sendeformate. Sie ist damit durchaus auf der Höhe der Forderung, die Corinna Belz auf dem Symposium an die Autorinnen und Autoren richtete, also auch an sich selbst: Sie müssten ästhetisch und formal mutiger werden und Erzählweisen entwickeln, die allein aus dem Stoff selbst abgeleitet werden. Ein Appell an den künstlerischen Eigensinn.« mehr

medienkorrespondenz 23/2015, 13. 11. 2015 (Fritz Wolf)

»… Nah beieinander sind sich beide Verfahren dann wieder in dem Gestus, im Akt des Filmemachens selbst, die künstlerischen Verfahren der von ihnen Porträtierten zu adaptieren.
Eine Arbeitsweise, die bei den Künstlerporträts naheliegt, die in Werkstattgesprächen den ersten Tag des Symposiums bestimmten und wohl selbstverständlich immer auch Auseinandersetzung der Filmemacher mit der eigenen Identität und Arbeit sind. So auch bei Andres Veiel, der frisch aus dem Schneideraum für seinen neuen Beuys-Film in Köln eintraf und eloquent über Herangehensweise („Bohrung mit offenem Ausgang“) und Intention („Reise ins Staunen“) seiner 2011 herausgekommenen filmischen Auseinandersetzung mit den Anfängen der RAF in „Wer wenn nicht wir“ sprach, den man wohl ein Generationenporträt nennen könnte. Ein Film, für den er damals wegen massiver Verweigerung der infrage kommenden Zeitzeugen und Protagonisten aus politischen Gründen gezwungenermaßen die fiktionale Form wählte. …«

epd medien Nr.42, vom 16. Okt. 2015 (Silvia Hallensleben)

»“Wesentlich ist der Zuschnitt, der Eingriff, die Konstruktion“ – so das Resümee des Schriftstellers Burkhard Spinnen über sein literarisches Porträt eines schwäbischen Unternehmers, „Der schwarze Grat“. Hatte mit Dokumentarfilm nichts zu tun, war aber eine produktive Anregung auch für Filmemacher, darüber nachzudenken, was das eigentlich ist, ein Porträt. Nämlich immer eine Konstruktion und eine Projektion.
Spinnens Intervention war einer der spannenden Momente des zweitägigen Symposiums über das dokumentarische Porträt, das die Dokumentarfilminitiative (DFI) mit dem Untertitel versah: „Annäherungen, Widersprüche, state of the art“. Ein Hinweis, dass es mit dem Porträt so einfach nicht ist. ...«

M-Menschen machen Medien Online vom 14. Okt. 2015 (Fritz Wolf)

»… Der Regisseur Fosco Dubini gab den zahlreichen jungen Menschen im Publikum mit: „Einen Dokumentarfilm zu produzieren, macht richtig Spaß“ – was angesichts knapper werdender Sendeplätze und Finanzierungsnot wohl eher halbernst gemeint war. Die Generation der „Digital Natives“ trage dazu bei, das Medium zu verändern. Die Selbstdarstellung im Netz verändert auch die lange Tradition des Porträts.«

Kölner Stadtanzeiger vom 10./11. Okt. 2015 (Milan Panek)

»… Entscheidend, so die Kölner Filmemacherin, sei: "Was kann man dem Porträtierten zumuten? Wo geht eine Wand runter?" Schließlich habe man von 2008 bis 2011 an dem Werk gearbeitet. Auch mit Widerständen des Beobachteten, die sie bewusst im Film zeigt. "Beim ersten Bild, einem gegenständlichen Werk, hat er gesagt, das ginge jetzt einfach nicht, wenn wir hier drehen". Aber man hat sich stets zusammengerauft. Bei Richter ließ sie die Kamera im Atelier, drehte nur zu den verabredeten Zeiten und ließ ihn selbst die Kamera bedienen, um die Entstehung der Bilder festzuhalten. "Und es war vereinbart, dass er den Film vor der Premiere sieht." Hatte er Einwände? "Nein, er war froh, dass alles so geworden sei, dass er mir nicht reinreden müsse."«

Porträt Corinna Belz „Die Schwierigen zum Reden bringen“
Kölnische Rundschau vom 7. Okt. 2015 (Hartmut Wilmes)