Filme Retrospektive
Fotofilme
Kuratoren: Katja Pratschke, Gusztáv Hámos und Thomas Tode
Programm 1 Der tanzende Fotofilm
Fotografie ist eigentlich Schweigen und Unbeweglichkeit. Doch im Fotofilm werden Töne und Bewegung den Fotografien hinzugefügt, ja durch ausgiebige Montagepraxis scheinen diese zuweilen sogar zu tanzen. Dieses Programm untersucht die Funktion von Animationstechniken im Fotofilm: vom Stillstand zur Bewegung, vom Foto zum Bewegungsfluss, von grafischen Strukturen zur Organisation von Zeit.
Hybrid and Superimposition
Sabine Höpfner’s Hybrid and Superimposition (D 1997/98, 6 Min.) arbeitet nicht nur mit animierten Fotos, sondern auch mit Fotogrammen. „When the apple was still green, a little leaf got stuck to its surface...“ - so soll nach Ansicht von Stefan Themerson das erste Fotogramm entstanden sein. Eine Hommage an die weißen Schatten.
Salut les Cubains
Für Salut les Cubains hat Agnès Varda (F 1963, 30 Min.) von einer Kubareise 1.500 Fotos mitgebracht, die sie zu einer höchst ausgelassenen Reiseerzählung, kommentiert von Michel Piccoli und ihr selbst, animiert: Fidel und die Musiker, Sozialismus und Cha-Cha-Cha. Wie leben Frauen auf Kuba, in Uniform, mit afrikanischen und katholischen Quellen der kubanischen Musik? Zuweilen werden auch die Fotos zum Tanzen gebracht. Es lebe die Leica!
At one view
In Paul und Menno de Nooijer’s At one view (NL 2005, 10 Min.) sitzen zwei Männer auf Stühlen vor dem Kamin. Sie halten vor ihre Gesichter animierte Porträts ihrer selbst, im Profil, frontal usw., während wir Zitate von Fotografen hören. Ihre widersprüchlichen Botschaften reflektieren die flüchtige, täuschende und persönliche Natur von Fotografie und Film.
Hold
Dryden Goodwin’s Videofilm Hold (GB, 1996, 4 Min.) nutzt die Tatsache aus, dass Film aus einzelnen Bildkadern besteht. Pro Frame zeigt er eine neue Person, also jedes 1/18 einer Sekunde. Zuweilen werden einzelne Personen länger betrachtet, indem zwischen ihnen hin und her geschnitten wird. Der Ton des Films ist unbarmherzig, keine Lösung wird erreicht, wir bewegen uns einfach weiter vorwärts.
Pas de repos pour Billy Brakko
Jean-Pierre Jeunet’s Pas de repos pour Billy Brakko (Keine Ruhe für Billy Brakko, F 1983, 4 Min.) schildert die überdrehte Geschichte seines Protagonisten, der gerne eine Figur in einem Comic gewesen wäre, wo Helden niemals sterben. Ein Film, der Klischee-Bilder wie Stenokürzel verwendet, und ihnen durch das hohe Tempo die Bewegung nimmt. Was bleibt sind ikonografische Eindrücke.
De Tuin
Dan Geesin’s und Esther Rots’ De Tuin (NL 1999, 11 Min.) zeigt staccatoartig kleine Zwischenfälle im Stile einer satirischen Soap Opera. Wie in einem Fotoroman strotzt jedes Bild von bedeutsamen Anhaltspunkten. Der Zuschauer beginnt, sich Beziehungen zwischen den Charakteren vorzustellen, Tugenden und Laster vom Blick ihrer Augen oder der Art, wie sie gekleidet sind, herzuleiten - entsprechend den Klischees des Genres.
Der Besenbinder, der Fotograf und der Koch
In Franz Winzentsen's Der Besenbinder, der Fotograf und der Koch (D 1997, 10 Min.) begegnet der Erzähler einem Besenbinder, der sich keine Gedanken über die Verwendung seiner Besen macht. Die Träume eines Fotografen werden von dessen Dunkelkammertechniken bestimmt, und der Koch einer Hähnchenbraterei verliert sich in seiner Traumwelt, in der Hühnerbrustbeine eine herausragende Rolle spielen.
Copy Shop
Virgil Widrich’s Copy Shop (A 2001, 12 Min.) erzählt die Geschichte eines Mannes, der sich solange vervielfältigt, bis die ganze Welt nur mehr aus ihm besteht. Copy Shop besteht aus nahezu 18.000 fotokopierten Filmkadern, welche am Tricktisch animiert und in 35mm abgefilmt wurden. Ein „original Kopierfilm“ - weltweit dupliziert.
Programm 2 Fotoroman
Die Zeit der Fotografie baut keine Erzählung auf. Kaum schauen wir uns etwas an, wird unser Blick schon zurückgeworfen. Film dagegen ist hypnotisch, eine Art Narkose, in der man sich wiegen lässt, sei es von der Erzählung oder der Schönheit der Bilder. Das Foto im Fotoroman konzentriert sich meist auf einen Augenblick, der über das Jetzt hinausweist, eine Zeitstruktur schon andeutet. Dieses Programm ist solchen Fotoromanen gewidmet, die die Kinogeschichte zitieren und mit narrativen Erzählformen experimentieren.
Rien ne va plus
Katja Pratschke’s und Guzstáv Hámos’ Fotoroman Rien ne va plus (D 2005, 30 Min.) erzählt die Geschichte von Flüchtling Igor und Frau Kah. Sie sterben zur gleichen Zeit. Sie überqueren die Grenze zwischen dem Diesseits und dem Jenseits. Im Schattenreich der Toten, einer Art Parallelwelt, begegnen sie sich zum ersten Mal - und es ist Liebe auf den ersten Blick. Der Film beobachtet die mühevolle Überwindung von Grenzen zwischen Drinnen und Draußen, hier und dort, Bewegung und Stillstand.
I should see
In Paul und Menno de Nooijer’s I should see (NL 1990, 3 Min.) legt ein Fotograf einen Film ein und schließt den Fotoapparat. Von diesem Zeitpunkt an sitzt der Zuschauer im Dunkeln des Gehäuses und sieht nur das eingefrorene Geschehen, sobald der Fotograf auslöst.
Der Fischmarkt und die Fische
Hubert Fichte und Leonore Mau: Der Fischmarkt und die Fische (D 1968, 9 Min.)
vgl. Filme Symposium
Execution. A Study of Mary
Elfi Mikesch: Execution. A Study of Mary (D1979, 28 Min.)
vgl. Filme Symposium
Colloque de Chiens
Raul Ruiz’ preisgekrönter Fotofilm Colloque de Chiens (Symposion der Hunde, F 1979, 18 Min.) erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die Prostituierte wird. Als sie sich verliebt und ihre Vergangenheit hinter sich lassen möchte, löst sie eine Reihe von Ereignissen aus, die zu Betrug, Tragödie und Mord führen. Diese Parodie eines südamerikanischen Fotoromans erforscht die zweideutige Natur von Bild und Sprache, denn bestimmte Sätze und Fotografien wiederholen sich und nehmen, je nach Kontext, verschiedene Bedeutungen an, während gleichzeitig ein Gefühl von Schicksal und ewiger Rückkehr entsteht.
Programm 3 Wie viel Bewegung braucht ein Bild?
Kaum hat das Auge ein bewegliches Filmbild gefasst, hat es sich schon verändert. Die Fotografie lädt den Betrachter zur Kontemplation und zur Versenkung in das Bild ein. Der Fotofilm vereinigt beides. Dieses Programm besteht aus Filmen, in denen die Natur beider Bildformen problematisiert wird.
La Jetée
Chris Marker: La Jetée (F 1962, 28 Min.)
vgl. Filme Symposium
Van Gogh
In Alain Resnais’ Van Gogh (F 1948, 17 Min.) gelingt eine neue Art von Künstlerbiografie, bei der das Leben van Goghs ausschließlich mit seinen Gemälden erzählt wird. Resnais will quasi die Innenwelt eines Künstlers dokumentieren und filmt die Gemälde so, als seien sie reale Dekors und Personen eines Spielfilms. Daher kann er auch mit bloßen Fotografien der Gemälde (statt der Originale) arbeiten und hat sich aus Überzeugung für das Schwarz-Weiß und für das Medium Fotografie entschieden.
Der Tag eines unständigen Hafenarbeiters
Hubert Fichte und Leonore Mau: Der Tag eines unständigen Hafenarbeiters (D 1966, 16 Min.)
vgl. Filme Symposium
Fremdkörper
Katja Pratschke und Gusztáv Hámos: Fremdkörper (D 2002, 28 Min.)
vgl. Filme Symposium