
DOKUMENTAR-FILM-KULTUR I:
Netzwerke und Kollektive
Pressestimmen
"Über das Kollektiv Dokomotive sollen Kontakte geknüpft und Erfahrungen ausgetauscht werden. Mit dieser Grundidee startete das Projekt 2015, angestoßen von Markus Lenz und seinem Kollegen Elí Roland Sachs, ebenfalls Dokumentarfilmer. "Der harte Kern besteht aus acht oder neun Leuten", erklärt Lenz. Im ganzen Kollektiv seien aber etwa 20 Filmschaffende beteiligt. Mitgliedsbeiträge oder Ähnliches gibt es nicht. Wichtig ist die Mitarbeit und Präsenz bei Feedback-Treffen. Wer die Meinung der Kollegen zu seinem eigenen Projekt hören will, sollte sich auch mit den Fragen der anderen auseinandersetzen, so das Prinzip."
Sara Pichireddu, Kölner Stadt-Anzeiger, 19.4.2018
"… [Auf der Tagung der Dokumentarfilminitiative NRW] verhandelte man die Frage, ob und wie – so die These – das Kollektivkonzept mit seiner historisch aufgeladenen Geschichte gerade bei jungen Filmemacher*innen der Gegenwart Auferstehung feiert. (...] Acht solcher Teams waren nach Köln eingeladen, um sich und ihre Arbeit vorzustellen: Alteingesessene wie die Wendländische Filmkooperative und blutjunge wie das neopan kollektiv aus Stuttgart; große wie die selbstverwaltete Filmschule filmarche und kleine wie die dreiköpfige Produktionskooperative Petrolio."
Silvia Hallensleben, die tageszeitung, 23.4.2018
..."Und – last but not least – eine locker zusammengeschlossene Truppe von zwanzig Leuten aus Düsseldorf, die unter dem schönen Namen ‚Strippenzieherei‘ mit ihrer audio-visuelle Praxis nicht aus dem Bereich Dokumentarfilm, sondern dem Umfeld der dortigen Kunstakademie kommt. Das erwies sich als blickschärfend, weil nach Darstellung der Strippenzieherin Katharina Blanken eine gänzlich andere Studien- und fehlende Förderstruktur an der Akademie zu einem sichtlich anderen Umgang mit dem Thema Professionalität bei den Studierenden führt. Während bisher bei der Filmproduktion (wenn auch oft nur in der Theorie) wenigstens der Anspruch auf eine angemessene Bezahlung für geleistete Arbeit besteht, gibt es bei den Medien-Künstlern eigentlich nur die Extrempole kommerzieller Auftragsarbeit und unbezahlter künstlerischer Herzensprojekte. Für beides ist ein spartenübergreifendes Netzwerk sicherlich eine nützliche Basis.
Doch auch die vorgestellten Kooperativen im Filmbereich sind - bei aller Heterogenität im Einzelnen - in der Praxis verbunden durch die Tatsache, dass bisher nirgendwo wirklich Geld verdient wird und viele ihre Filmarbeit durch Brotjobs anderswo finanzieren. Der Zusammenschluss ist auch ein Versuch, dies zu ändern und Kontrolle über die materiellen Ressourcen zu bekommen. Dabei gehen die jungen meist aus Filmschulen ausgegründeten Produktions-Kollektive bei aller Wertschätzung hierarchiefreier und offener Strukturen deutlich prosaischer an das Thema Kollektivität heran als es ihre historischen Vorläufer taten - und scheinen sich auch um die starke historische Aufladung des Kollektiv-Begriffs kaum zu kümmern. Vom emphatischen "gemeinsam Leben und Arbeiten" keine Spur. Stattdessen geht es ganz pragmatisch um die Bündelung von Synergien gegen die zunehmend schwierigen Bedingungen am Markt, um die Herstellung auktorialer Autonomie und kreativer Kontinuität."...
Silvia Hallensleben, black box Nr. 273, Mai/Juni 2018