Dokumentarfilminitiative
Ein kleiner Vogel, vermutlich ein Spatz, sitzt in der Öffnung eines senkrechten Rohrs aus Metall. Das Rohr steht vor wolkenlosem, tiefblauem Himmel und wirft einen leichten Schatten.
Symposium

Dokumentarfilm und Politik.

Politiken des Dokumentarfilms.

Filmliste

D 2011, R: Lisa Sperling/Florian Kläger, 75 min
Termin: 13.10., 15.30 Uhr, Filmhaus Köln

“Warst du am Montag bei der Demo?” Das ist eine der oft gestellten Fragen in Stuttgart seit Januar 2010. Die beiden jungen Filmemacher Lisa Sperling und Florian Kläger zeigen in ihrem Debüt-Dokumentarfilm Stuttgart 21 - Denk mal! die Entwicklung einer der größten Bürgerinitiativen in Deutschland seit vielen Jahren. Längst geht es nicht mehr nur um einen neuen Bahnhof, es geht um die Bewegung und ihre Gesichter. Der Film will zeigen, dass sich in Stuttgart etwas entwickelt hat - ein Protest, der neu ist für die Stadt und ganz Deutschland. Es liegt Veränderung in der Luft, ein neues Bewusstsein, das nicht nur das Projekt Stuttgart 21 betrifft, sondern immer mehr auch die gesellschaftlichen Strukturen hinterfragt. Der Produzent Peter Rommel, selbst bekennender Schwabe, ist engagierter Mentor und Nachwuchs-Förderer dieses Projekts.
Es ist ein parteiischer Film, der Position bezieht und Befürworter des unterirdischen Bahnhofs gar nicht erst zu Wort kommen lässt. Am Anfang stand die Idee, das, was sich da in Stuttgart ab 2009 als Initiative gegen das Großprojekt Bahnhof entwickelte, einfach nur fest zu halten – ein Filmtagebuch quasi – zur Erinnerung. Lisa Sperling und Florian Kläger porträtieren die unterschiedlichen Menschen, die die Bewegung um Stuttgart 21 ausmachen: Junge, Alte, den pensionierten Banker, den engagierten Journalisten ebenso wie Blinde, Musiker oder den Theatermann. Der anfänglich kleine Protest wächst zu einer Bewegung von mehr als 100.000 Personen an, und längst geht es in Stuttgart nicht mehr „nur“ um den Kopfbahnhof oder um die Bäume im Schlossgarten. Jeder erinnert sich an die Bilder aus Stuttgart in den täglichen Nachrichten. Da geht auch um die spürbare Unzufriedenheit mit der Politik der Regierenden, die Ignoranz, die Planlosigkeit, den unkontrollierten Umgang mit öffentlichen Geldern. Nach den Vorgängen bei der Demonstration am 30.9.2010 entschieden Lisa Sperling und Florian Kläger gemeinsam mit Peter Rommel, “Da muss mehr draus werden!“ Stuttgart 21 - Denk mal! wurde zu einer Herzensangelegenheit. Geplant war keine ausgewogene Reportage, sondern eher ein Stimmungsbericht, ein Porträt, eine Zustandsbeschreibung.

USA 2009, R: Michael Moore, 127 min
Termin: 13.10., 19.30 Uhr, Filmhaus Köln

Mit Kapitalismus: eine Liebesgeschichte kehrt Michael Moore zu dem Thema zurück, das ihn in seiner gesamten Karriere beschäftigt und mit dem er vor 20 Jahren in Roger & Me seine Laufbahn eingeleitet hat: die katastrophalen Auswirkungen des desaströsen Verhaltens von Großunternehmen auf das Leben der Menschen. Aber diesmal ist der Übeltäter weitaus größer als General Motors und der Tatort viel weiter entfernt als Flint, Michigan. Vom mittleren Westen hinüber zu den Hallen der Macht in Washington bis zum weltweiten Finanzzentrum in Manhattan nimmt Michael Moore die Zuschauer erneut mit auf unerforschtes Terrain.

Mit Humor und Empörung erkundet Moore ein Tabuthema: Welchen Preis zahlt Amerika für seine Liebe zum Kapitalismus? Vor vielen Jahren schien diese Liebe so unschuldig zu sein. Heutzutage allerdings gleicht der amerikanische Traum mehr einem Albtraum, in dem Familien den Preis mit ihren Jobs, ihrem Zuhause und ihren Ersparnissen zahlen. Moore geht zu den Menschen, deren Leben komplett auf den Kopf gestellt wurde und sucht dabei nicht nur in Washington, D.C. nach Erklärungen. Was er findet sind die nur allzu bekannten Symptome einer Liebesgeschichte auf Abwegen: Lügen, Missbrauch, Betrug und 14.000 Arbeitsplätze, die jeden Tag gestrichen werden.

D 2008, R: Andree Korpys und Markus Löffler, 27 min
Termin: 13.10., 10.30 Uhr, Filmhaus Köln

In der Nacht zum 14. November 2006 fährt ein Castor-Transport zum Zwischenlager Gorleben. Einige Atomkraftgegner protestieren auf den Straßen. Ihnen steht ein Großaufgebot der Polizei gegenüber. Auch im Mai 2007, beim Treffen der G-8-Staaten in Heiligendamm, sind die Demonstranten mit einem enormen Polizeiaufgebot konfrontiert. Andree Korpys und Markus Löffler haben die beiden Ereignisse dokumentiert.

Die Landschaft am Entstehungsort der "Freien Republik Wendland", in den 1980er Jahren ein Zentrum der Anti-Atombewegung: In der Nacht zum 14. November 2006 durchquert ein Castor-Transport die wendländischen Dörfer zum Zwischenlager Gorleben. Auf den Straßen protestiert eine kleine Schar von Atomkraftgegnern in ritualisierten Sitzblockaden gegen den Transport. Ein Großaufgebot Polizei patrouilliert in den Wäldern und Wiesen der Elblandschaft, die teilweise in gleißendes Scheinwerferlicht gehüllt ist. Im Mai 2007 findet das Treffen der G-8-Staaten im Ostseebad Heiligendamm statt - hinter einem 13 Kilometer langen Metallzaun, der die Demonstranten fernhält. Auch dort steht ein enormes technisches und personelles Aufgebot von Polizei und Militär einer Gruppe von zumeist jugendlichen Menschen gegenüber, die sich mit dem identifizieren, was sie für Friedlichkeit und Naturverbundenheit halten.

Die beiden Medienkünstler und Filmemacher Andree Korpys und Markus Löffler haben diese beiden öffentlichen Ereignisse in "Direct Cinema"-Stil mit einer distanziert beobachtenden Kamera in ungewöhnlichen Ausschnitten und Perspektiven dokumentiert. Ihre Sympathie für den friedlichen zivilen Widerstand zeigen sie nur sehr dezent durch ihre präzise, subtil kommentierende Bild- und Tonmontage.

Aus dem Archiv der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen

USA 2008, R: Errol Morris, 118 min
Termin: 14.10., 16 Uhr, Filmhaus Köln

Kann ein Foto die Welt verändern? Zwölf Fotos aus dem Gefängnis Abu Ghraib in Baghdad haben 2004 dem Irak-Krieg eine neue Wendung gegeben und vor allem das Bild Amerikas in der Welt ins Wanken gebracht. Doch eine zentrale Frage bleibt: Sind die berüchtigten Fotos aus Abu Ghraib Beweise für eine systematische Folterpraxis des amerikanischen Militärs, oder dokumentieren sie nur das Verhalten einiger weniger schwarzer Schafe. In Standard Operating Procedure untersucht der vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilmer Errol Morris (The Fog of War, u.a.) den unmittelbaren Kontext dieser Bilder und ihre manipulative Kraft. Warum wurden sie gemacht? Was zeigen sie nicht, was lassen sie aus? Morris spricht sowohl mit den Soldaten, die damals auf den Auslöser gedrückt haben als auch mit denen, die auf den Fotos zu sehen sind. Wer sind diese Menschen? Was haben sie sich dabei gedacht? Viele Journalisten haben nach den unwiderlegbaren Beweisen für Abu Ghraibs Folterskandal gesucht. Standard Operating Procedure zeigt auf, dass Abu Ghraib selbst der Beweis ist. Die grundlegenden Fragen allerdings sind: Wie konnten amerikanische Werte so blossgestellt werden? Wie konnte es zu Abu Ghraib und der anschließenden Vertuschung des Folterskandals überhaupt kommen?