Dokumentarfilminitiative
Workshop

DVD, VOD, PODCAST & CO. Die digitale Auswertung von Dokumentarfilmen. Was bleibt? Was kommt?

06. – 07. September 2007, Filmforum NRW (Kino im Museum Ludwig), Köln

Mit der Markteinführung der DVD im Jahr 1999 hegten auch die Dokumentarfilmer Hoffnungen auf die Erschließung neuer Käuferschichten und der – neben Fernsehen und Kino – zusätzlichen Verbreitung ihrer Werke. Die DVD bot zudem die künstlerische Möglichkeit, im Bonus-Teil Informationen und die dokumentarische Arbeit zum präsentierten Film zu vermitteln.

Der Workshop unterzieht diese Hoffnungen einer kritischen Revision, präsentiert die Erfahrungen mit Vertriebsmodellen und Verkaufskanälen für Dokumentarfilme auf DVD, fragt nach der bisherigen Nutzung des Bonus-Angebots durch die Produzenten.

Zugleich wird der Blick in die Zukunft gerichtet: Ist die DVD ein Übergangsmedium – angesichts der sich ankündigenden netzbasierten Zugriffe auf Filme durch Video-On-Demand, Streaming und Download? Welche Nutzungsformen und Käuferwünsche lassen sich bisher im DVD-Markt erkennen, wie werden die bisherigen Verwendungen auch die neuen Technologien gestalten bis es schließlich zu erkennbaren Formen für Online-Angebote wie die -Nutzung von Dokumentarfilmen kommt? Wie wirken sich Rechtefragen und Finanzierungsmöglichkeiten auf die neuen Technologien aus –und wie sahen sie für den DVD-Markt aus? Und was kam und kommt für die Dokumentarfilmer und Autoren dabei heraus?

Der Workshop richtet sich an die dokumentarische Branche, Vertriebe und Dienstleister, an weitere Verwerter von Dokumentarfilmern sowie an Nutzer und Produzenten aus bildungs-, wissenschaftlichen und filmhistorischen Kontexten.

Veranstaltungsort:
Kino im Museum Ludwig / Filmforum NRW Köln
Bischofsgarten 1
50667 Köln

Kontakt und weitere Informationen:
Dokumentarfilminitiative im Filmbüro NW
Petra L. Schmitz
Mail: dfi(at)filmbuero-nw.de

Tagesmoderation und Diskussionsleitung: Kay Hoffmann, Haus des Dokumentarfilms, Stuttgart

ab 10.00
Anmeldung

10.45
Begrüßung
Dr. Ingrid Stoppa-Sehlbach
Referatsleiterin Museen, Bildende Kunst, Film, Neue Medien
Kulturabteilung der Staatskanzlei NRW, Düsseldorf

11.00
Präsentation
Dokumentarfilm auf DVD – Vertriebschancen und Sackgassen.
Ein Markt-Überblick
Jörg Gerle, Filmjournalist, Köln

12.00
Gespräch
Zwischen Special Interest und Blockbuster Kino.
Vertriebskonzepte für Dokumentarfilme auf DVD
Niels Zehnpfennig, DVD-Productmanager, Alive AG, Köln
NN und Jörg Gerle, Filmjournalist

13.00 – 14.30
Mittagspause

14.30
Präsentation
Zentrales Vertriebsmodell – Schweizer Filme auf DVD
Matthias Bürcher, artfilm.ch AG, LausanneD 1998

15.30
Präsentation
Die DVD – ein neues Medium? 8 Jahre später
Fosco Dubini, Filmemacher, Köln

17.00
Kaffeepause

17.30
Präsentation
Verluste minimieren. Nutzung aller digitalen Wege
Lutz Dammbeck
, Filmemacher, Hamburg

18.30
Präsentation
Nutzungen digitaler Medien durch Filmarchive
Stefan Drößler, Leiter des Filmmuseums München,
Edition filmmuseum

Tagesmoderation und Diskussionsleitung: Petra L. Schmitz, Dokumentarfilminitiative im Filmbüro NW

10.00
Präsentation
Content Auswertung und Endkundenvermarktung auf DVD und
den Medien der Zukunft (HD, VOD und Streaming Media)
Jörg Tochtenhagen / Andreas Bob
Geschäftsführer Produktion / Lizenzgeschäft, bob-media, Elsdorf

11.00
Update
Onlinefilm AG als alternative Auswertung?
Cay Wesnigk, Onlinefilm AG, Lübeck

11.30
Vortrag
Digitale Strategien von ARD und ZDF und die Auswirkungen auf die dokumentarischen Programme
Fritz Wolf, Medienjournalist, Düsseldorf

12.00
Kaffeepause

12.30
Panel
Die Rechte der Autoren – Stand der Dinge
Cay Wesnigk, Regisseur / Vorsitzender der Berufsgruppe III (Film /Audiovision) der VG Bild-Kunst
Pietro Graf Fringuelli, RA, CMS Hasche Sigle, Büro Köln
Moderation: Petra L. Schmitz

13.30 – 14.00
Schluss-Statement
Was bleibt? Was kommt?
Frank Patalong, Ressortleiter Netzwelt, Spiegel.online, Hamburg

Vorträge

PDF der Präsentation

Seit einer ersten Projektion seitens der DFI im Workshop „Bonus, Extra und noch mehr Was bringt die DVD dem Dokumentarfilm?“ am 27. April 2001 hat die DVD eine beispiellose Erfolgsgeschichte geschrieben. Gut 36.000 Publikationen sind auf den Markt geworfen worden, allein 8.200 Titel davon im Jahr 2006. Mit dem DVD-Verkauf verdienen die Majors inzwischen mehr als an der Kinokasse, was allerdings nicht bedeutet, dass das Medium ohne das Instrument der Kinosauswertung auskommt. Im Gegenteil: Beide Auswertungsplattformen nutzen die sich aus ihrer Verschachtelung ergebenden Synergien, um den Kinofilm als Wirtschaftsgut weiterhin effizient zu halten. In der aktuellen Markterhebung der GfK Panel Service Deutschland im Auftrag der FFA und publiziert vom Bundesverband audiovisueller Medien – aus der sich (falls nicht anderes bezeichnet) alle folgenden Daten ergeben – verzeichnet eine konstante Wechselwirkung zwischen Einspielergebnisse an der Kinokasse und Verkaufzahlen im DVD-Bereich. Auf der anderen Seite ist ein erfolgreicher Vertrieb eines Produktes auf DVD immer auch ein Werbe- und Finanzierungsfaktor für den Kinomarkt der Zukunft.

Jenseits aller kalkulierbaren Randbedingungen gibt es indes nicht planbare Phänomene, die für Erfolg und Misserfolg einzelner Produkte und mithin ganzer Segmente verantwortlich sind. Betrachtet man die Kinozahlen (nach EDI Nielsen/FFA) genießen Dokumentarfilme seit 2004 eine breite Akzeptanz. Das liegt u.a. daran, dass sich sowohl die Verleiher als auch die Kinobetreiber mehr und mehr bereit finden, dem Dokumentarfilm eine Chance auch im Kino zu geben. Eine Art Initialzündung mag hier der ungewöhnliche Erfolg von „Rhythm is it!“ gewesen sein, der auf der Berlinale 2004 zum Publikumshit avancierte, darüber eine außerordentlich breite Presseresonanz nach sich zog und daraufhin einen über 80 Wochen währenden Kinoeinsatz erfuhr und 630.000 Zuschauer (bis Mitte 2006) generierte. Sicherlich gab es immer wieder erfolgreiche Dokumentarfilmformate in den vergangenen Jahren wie etwa „Mikrokosmos“ (1996), „Buena Vista Social Club“ (1998) oder „Nomaden der Lüfte“ (2001), die sogar ein Millionenpublikum ins Kino lockten, dennoch ist es „Rhythm is it!“,
aber auch dem im gleichen Jahr gestarteten „Die Geschichte des weinenden Kamels“ zu verdanken, dass der Fokus weg von eher unterhaltenden, reinen Musik- und Naturfilmthemen hin zu soziologisch relevanten Dokumentarfilmen wanderte. Neben abzusehenden Blockbuster-Phänomenen im Dokumentarfilmsegment wie „Die Reise der Pinguine“ (2005; 1,5 Mio. Zuschauer) oder „Deutschland – Ein Sommermärchen“ (2006, 4 Mio. Zuschauer) sind in den letzten drei Jahren auch immer wieder „kleine“, sich mit dezidierten Randgruppenthemen befassende, zunehmend auch deutsche Dokumentarfilme im Kino angekommen und haben einen relativ beachtlichen Erfolg erzielt. So etwa: „Die Spielwütigen“ (2004, 60.000 Zuschauer), „Die Geschichte des weinenden Kamels“ (2004, 350.000), „Die große Stille“ (2005, 150.000), „What the Bleep do we know“ (2004, 140.000), „Crossing the Bridge“ (2005, 110.000), „Die Höhle des gelben Hundes“ (2005, 230.000), „Eine unbequeme Wahrheit (2006, 360.000), „We feed the World“ (2006, 370.000), „Am Limit“ (2007, 175.000), „Prinzessinnenbad“ (2007, 70.000), „Full Metal Village“ (2007, 160.000). Eingedenk dieser oben genannten Randbedingungen ist auch der Dokumentarfilm eine Gattung, die auf DVD zunehmend präsenter wird.

Special Interest und Dokumentarfilm

Auch wenn der Umsatz im Home Entertainment Segment seit 2004 auf hohem Niveau stagniert (vgl. Abb. 1 im Anhang), was vor allem den stetig fallenden Verkaufspreisen geschuldet ist (49% des Ausstoßes kosteten 2006 15 Euro oder weniger; 2002 waren es gerade 21%), das Medium floriert und prosperiert; 2006 stieg die Anzahl der verkauften DVDs erstmals über die 100 Millionen-Marke. Für unser Untersuchungsgebiet bemerkenswert ist, dass innerhalb der letzten drei Jahre der Bereich des „Special Interest Segmentes“ (unter die die Gattung des Dokumentarfilms von Seiten der Wirtschaft subsumiert wird) signifikant gestiegen ist. Noch im Jahre 2002 hat die Videoindustrie in Deutschland lediglich 400.000 Einheiten der „Special Interest“-DVDs abgesetzt. Doch bereits vier Jahre später hat sich der Verkauf dieser vielfältigen Formate bereits auf 5,3 Mio. Discs um mehr als 1.300% gesteigert. In 2006 verzeichnete dieses Segment daher einen Umsatzzuwachs von +39% im Vergleich zum Vorjahr (vgl. dazu Abb. 2 & 3). Zu bedenken ist allerdings, dass gerade ob der sehr diffusen Eingrenzung des Dokumentarfilmsegmentes nicht davon ausgegangen werden kann, dass der klassische Dokumentarfilm auf DVD ein großer Verkaufsschlager ist. Sicherlich sind die ebenfalls in das „Special Interest“ Segment gruppierten Lifestyle- und Esoterik-Formate sowie die im Kino gut laufenden Sport- und Natur-Formate für die großen Steigerungsraten verantwortlich. „Deutschland – Ein Sommermärchen“ hat beispielsweise laut Verleihangaben eine verkaufte Auflage von inzwischen 600.000 DVDs, „Die Reise der Pinguine“ und „Deep Blue“ von je etwa 300.000. Dennoch ist zu verzeichnen, das inzwischen weit über 1000 klassische Dokumentarfilm-DVDs in Deutschland erhältlich sind, dass auch „speziellere“ Themen wie „Rhythm is it!“, „Eine unbequeme Wahrheit“ hohe fünf oder „Rivers and Tights“ und „Die große Stille“ hohe vierstellige Verkaufszahlen zu verzeichnen haben. In den Dokumentarfilm- Verkaufscharts von Amazon etwa finden sich auch Jahre nach VÖ Filme wie „Die große Stille“, „Buena Vista Social Club“, „Supersize Me“, „Unser täglich Brot“, „Darwins Alptraum“ oder selbst Klassiker wie „The Endless Summer“. Nicht verschweigen sollte man indes, das die Verkaufzahlen vieler „exotischer“ Dokumentationen aus dem Kunst- und Experimentalfilmbereich kaum über dreistellige Verkaufszahlen hinaus kommen. Trotzdem ist die Vielfalt, was die reine Verfügbarkeit von Dokumentarfilmen betrifft, seit 2001 enorm gestiegen.

Wer kauft Dokumentarfilme auf DVD?

Aufgrund der sich als schwierig gestaltenden Definition des Dokumentarfilms, ist auch eine dezidierte Zielgruppendefinition kaum zu leisten. Das Käuferprofil sagt allenfalls aus, dass im Bereich des „Special Interest“-Segments die Alterschichtung mit einem Durchschnitt von 45,7 Jahren höher ist als in den anderen Bereichen – er liegt 7,1 Jahre über dem Durchschnittsalter der DVD-Käufer, was höchstens für eine finanziell potente Käuferschicht spricht, die das Hochpreissegment, in dem sich der Dokumentarfilm zumeist befindet, nicht abschreckt. Demnach sind auch die Vertriebstrategien seitens der Verleiher in diesem Segment eher diffus. Grundsätzlich findet eine Konzentration diverser Klein- und Kleinstverleiher in Vertriebsnetzen wie „Indigo“ (vertreibt die Publikationen des Kinoverleihverbundes „Good Movies“) oder „Al!ve“ (u.a. Absolut Medien, Alamode, Edition Filmmuseum, Filmgalerie 451) statt, in denen, allein aufgrund des Marktpotentials und durch die Bündelung qualifizierten Vertriebspersonals, auch exotischere Dokumentarfilm-Formate Einzug in den „Mainstream“-Handel finden. Allein durch die Listung der Produkte ist somit ein Verkauf an ein breites, interessiertes Publikum theoretisch möglich. Dennoch gestaltet sich durch die Subsumierung der Gattung unter „Special Interest“ der Verkauf als schwierig, da die potentielle Kundschaft visuell nicht angesprochen wird. Um dieses Manko zu kanalisieren, startet die Kinowelt als DVD-Produzent in großen Verkaufsmärkten wie den Saturn-Märkten Hamburg (Mönckebergstraße, Premium-Shop), Köln und Berlin (Europacenter), Berlin (Alexanderplatz und Potsdamer Platz) sowie im Film Express Kiel augenblicklich einen Test, mit einem Shop im Shop Konzept. Die sogenannten Arthaus-Shops bieten auf separaten Raum qualitativ hochwertige Editionen an und setzten dabei auf das „eye catcher“-Phänomen. Zudem wurde mit dem Kauf des Versand/Verkaufs/Online-Vertriebshandels „Zweitausendeins“ die Grundlage geschaffen, um mit den DVDs auch effektiver ins Buchhandelssegment einzudringen, in dem man sich einen besseren Absatz von dezidiert hochwertigeren Publikationen verspricht. Auch der Vertrieb über die verleiheigenen Websites ist ein inzwischen gängiges Konzept, setzt allerdings einen gut informierten Kunden voraus, der gezielt nach Ausgaben sucht.

Fördermittel für DVDs?

Um Vertriebsstrategien auch bei kleinem Budget zu nutzen, sieht u.a. die öffentliche Hand inzwischen ebenfalls Vertriebs- und Produktionsförderungen vor. Allerdings ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Förderungsgremien und Institutionen erst dann über Förderungsanträge von Filmemachern und Produzenten entscheiden, wenn diese bereits an einen Verleih gebunden sind. Auch ist zu konstatieren, dass sich, im Gegensatz etwa zur Kinoauswertung, die DVD-Auswertung noch nicht als allgemein förderungswürdig durchgesetzt hat und die Positionen der einzelnen Länderförderer stark voneinander divergieren. Die Exportunion des dt. Films z.B. fördert lediglich die Untertitelung von Printkopien, wo hingegen die FFA umfangreiche Förderungen auch für den DVD-Bereich vornimmt. Nach unterschiedlichen Förderbereichen, etwa §§ 53a, 54, 55 FFG 53b der Förderrichtlinien (Projektförderung/Medialeistungen/Programmanbieter) gewährt sie bis zu 600.000 Euro bedingt rückzahlbare, zinslose Darlehen. Allerdings nur für Filme ab dem Produktionsjahr 2003 (in Ausnahmefällen sind unter Bezug auf das „Filmische Erbe“ evtl. Förderungen älterer Filme in Höhe von € 5.000,- bis € 10.000,- möglich) und ab einer Lauflänge von mindestens 79 Minuten. TV-Produktionen werden grundsätzlich nicht gefördert. Verleihe wie Absolut Medien und Piffl gehören hier zu den etwa 25 Antragstellern im Quartal aus dem betrachteten Bereich.

Die Filmstiftung NRW fördert DVDs nur im Zusammenhang mit dem Antrag auf Kinoförderung. Die Prämisse der Förderanstalt liegt hier ganz dezidiert auf einer Kinoauswertung der Filme. Das Medienboard Berlin/Brandenburg fördert nicht; die Filmförderung Hamburg/Schleswig Holstein nur nach Etatlage und in Ausnahmefällen. Die Filmförderung Hessen indes fördert dezidiert DVDs. Besonders im Dokumentarfilmbereich, in dem sie beispielsweise die „European Doku Zone“ fördert, ist sie diesem Medium aufgeschlossen und handelt nach der Devise, dass jeweils „beste Medium für einen Film“ zu fördern. Die Medienvertriebsgesellschaft Baden Württemberg hat zwar erst 10-12 Förderungen in den letzten 12 Jahren im VHS/DVD-Bereich vorgenommen, ist aber dem Medium durchaus aufgeschlossen. Verleihe wie „Filmgalerie 451“, „Salzgeber“ oder „McOne“ haben die Förderung bislang genutzt (siehe auch unter den Adressen grundsätzlich förderbereiter Institutionen im Anhang).

Versteckte Dokumentarfilme

In die oben genannten Statistiken keinen Eingang finden sämtliche Dokumentationen, die im Bereich des Bonusmaterials auf DVD erscheinen. Gerade in diesem Bereich ist in den letzten Jahren jedoch eine besonders hohe Steigerungsrate in den Veröffentlichungen sowohl eigens für den Markt produzierter als auch additiv genutzter Fremd-Dokumentationen zu verzeichnen. Gerade in der ersten Auflage als sog. Single- oder Standard-Editionen veröffentlichte Kinofilme werden augenblicklich im großen Stil als Special-Edition mit Bonus-Sektion auf den Markt gebracht, in denen sich nicht selten Dokumentarfilme als Ergänzung Platz finden. Das betrifft augenblicklich noch eher Sujet gemäß filmaffine Dokumentationen, doch werden zunehmend auch edukative Programme mitunter teuer eingekauft, um den „Wert“ der Edition zu steigern. Die Bandbreite reicht von BBCDokumentationen bis hin zu Formaten mit dezidiert künstlerischem Anspruch wie etwa die Kurosawa-Dokumentation „AK“ von Chris Marker auf der Special Edition zu „Ran“. Die darüber hinaus zu beobachtende Entwicklung, dass durch diese interaktive Vernetzung ein Medium selbst zum Dokument avanciert, ist eine bislang noch viel zu selten gewürdigte grundsätzliche Chance des Medium DVD.

Die interaktiven Strukturen des Mediums, die u.a. eine Vernetzung von Film/Dokumentation mit Sekundär-Dokumenten, Audiokommentaren, weiteren Tonspuren und Arbeitsmaterialien ermöglicht, sind vom Rezipienten gewünscht, werden aber bislang eher nur für relativ erfolgreiche Formate umgesetzt. So gibt es neben der „Standard“-Edition von „Rhythm is it!“ auch eine „Collectors“- Edition mit zwei Bonus-DVDs. Nach Informationen von Kinowelt ist das Verhältnis der verkauften Standard/Special-Editionen etwa ¾ zu ¼ und geht in Einzelfällen wie „Mikrokosmos“ hoch auf ½ zu ½. Selbst Erfolge im kleineren Stil, wie am Beispiel der DVD von „Rivers and Tights“ von Absolut Medien ersichtlich, haben zur Folge, dass einer „Standard“-Edition eine „Special“-Edition (in Zusammenarbeit mit arte) mit ausführlichem Sekundärmaterial folgt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, das durch den Erfolg des digitalen Mediums und die dadurch möglich gewordene bessere „Ausbeutung“ und Zugänglichmachung der (internationalen) Archive auch im Dokumentarfilmbereich eine große Bandbreite an Dokumentationen dem Publikum bereit gestellt worden ist. In immer häufiger anzutreffenden Einzelfällen werden auch Dokumentationen selbst zum Anlass aufwändig produzierter Spezial-Editionen. In einer mangels Statistik nicht zu quantifizierenden Zahl sind Dokumentationen bereits Teil von Kinofilm-Special-Editions und damit dem Publikum erhalten. Sicherlich wird – wie in der multimedialen Geschichte üblich – auch die DVD nur ein Medium unter vielen sein. Sie hat sich aber im Gegensatz etwa zur Laserdisk, Minidisk, UMD (Universal Media Disc) und ähnlichen Formaten etabliert und wird auch durch etwaige „Zwischenlösungen“ wie Blue Ray und HD-DVD nicht vom Markt verdrängt werden, weil sie sich schnell als qualitativ hochwertiges und kostengünstiges Medium durchgesetzt hat.

Angesichts der anhaltend hohen Verkaufszahlen und der damit verbundenen Präsenz in den Haushalten ist nicht davon auszugehen, dass sich Käufer auf ein „nur marginal“ verbessertes, aber deutlich teureres Medium verlagern, das zudem die Anschaffung neuer Hardware erfordert. Downloadportale haben augenblicklich einen relativ starken Zuwachs in der Akzeptanz zu verzeichnen (Steigerung der Downloads vom 3. auf das 4. Quartal 2006 um 100% von 150.000 auf 300.000). Augenblicklich beschränkt sich das goutierte Angebot auf aktuelle Top 50-Produktionen im Spielfilmbereich. Eine ernstzunehmende Konkurrenz oder gar eine Bedrohung des DVD-Marktes ist nicht zu erkennen – vielmehr eine weitere Diversifizierung des Marktes und sich daraus ergebende neue Synergien.

PDF der Präsentation

Vor fünf Jahren hatten wir uns im Rahmen einer Veranstaltung der dokumentarfilminitiative diese Frage schon einmal gestellt. Welches wird die
Entwicklung und die Bedeutung dieses „neuen Mediums“ sein, dass damals von vielen lediglich als ein neues Trägermedium gesehen wurde? Wie wird es sich im Gegensatz zu den Streaming Medien entwickeln?

Ein kleiner Glaubenskampf spielte sich damals ab. Prognosen wurden gestellt. Und in der Rückschau muss man sagen, dass damals alle etwas unrecht hatte, die einen etwas mehr und die anderen etwas weniger.

In der Medienbranche ist es üblich, den Mund ziemlich voll zu nehmen und sich dann später an die eigenen Prognosen nicht mehr zu erinnern. Businesspläne sind meistens schon bei der Vorstellung Makulatur. Medien und vor allem digitalen Medien funktionieren eben nach einer eigenen Logik.

Wie sah die Situation vor 10 Jahren aus? Das Internet hatte sich gerade durchgesetzt, aber nur auf der Eben der Texte und noch nicht auf der Ebene der Musik und der Filme. Die DVD erschien am Horizont und wurde, nachdem sie lange angekündigt war, 1999 auf den Markt gebracht. Viele glaubten, dass sie sich wie die Musik-CD schnell durchsetzen würde. Aber die verschiedenen unkompatiblen technischen Systeme, fehlerhafte DVD sogar von den großen Hollywoodfirmen, die nicht liefen und zurückgezogen werden mussten und der Mangel, keine Aufzeichnungen machen zu können, verzögerten zu Beginn die Entwicklung.

Es gab auch Konkurrenzformate, die sich aber bei uns nicht durchsetzen konnten. So die CD-Video mit der Kapazität einer CD, die sich vor allem im asiatischen Raum ausgebreitet hatten. Bei uns konnte sie sich wegen der geringen Speicherkapazität und somit wegen der mangelnden Qualität der Filme, die sich auf dem Niveau von VHS-Kassetten befand, nicht durchsetzen. Auch die CD-Rom wäre eine Alternative gewesen, weil sie eine „offene“ Plattform bot und so nicht die technischen Einschränkungen der DVD besaß. Das bekannteste Beispiel einer CD-Rom war wohl „Immemory“ von Chris Marker, eine Produktion, die damals schon über 500.000 DM kostete, ohne die Rechte der Materialien mit zu berücksichtigen. Thomas Thode hatte sie damals im Rahmen einer Veranstaltung der Dokumentarfilminitiative vorgestellt. Die Faszination bestand darin, auf einem Träger Texte, Zahlen, Bilder, Musik, Töne und Filme frei zu kombinieren, zu konfigurieren und auf die einzelnen Elemente direkt und auch interaktiv zugreifen zu können.

Die Vorstellung, dass „Digitale Medien“ grundsätzlich etwas anderes sein könnten, als traditionelle Medien wie Kinofilm, Fernsehen oder Videokassetten begannen die Phantasie zu beflügeln. Man sprach auch nicht mehr nur von einem Zuschauer, sondern von einem kombinierten Zuschauer, User, Spieler und natürlich auch Konsumenten.

Diese Vorstellungen bewogen mich damals von der DVD als einem „neuen Medium“ zu sprechen. Trotz der reduzierten technischen Möglichkeiten der DVD würden durch die Kombination von Filmen mit anderen Materialien und einer direkten Zugriffsmöglichkeit ganz neue Möglichkeiten entstehen. Obwohl ich damals mit der Prognose, dass die DVD sich gegenüber „Film im Internet“, in den nächsten Jahren durchsetzten würde, recht hatte, hat sich dieses „neue Medium“, wie es mir vorschwebte, nicht oder nur in Ansätzen entwickelt.

Sieht man sich das heutige Angebot an DVDs an, so ist man zunächst enttäuscht. Verglichen mit dem, was möglich wäre, ist das vorhandene Material mehr als dürftig. Die CD-Rom als Medium ist mittlerweile ganz verschwunden, vielleicht gibt es in Ausstellungen und Museen noch einige dieser seltenen Exemplare. Aber auch gewisse Möglichkeiten, auf die man zu Beginn der DVD gesetzt hatte, sind verschwunden. So gab es die Möglichkeit mit der Fernbedienung auf sechs verschiedene Kameraperspektiven umzuschalten, wie man es etwa bei der Formel 1 sieht. Dazu hat sich gar nichts entwickelt. Sicher hat es auch mit den Kosten zu tun und weil es beim Spielfilm wenig Sinn macht, mehrere Perspektiven einzunehmen. Spielfilme haben eine Story und sind nicht interaktiv. Beim Dokumentarfilm könnte das schon anders aussehen. Auch die alternativen Tonspuren wurden nicht richtig genutzt. Es gibt einige Filme in denen der Regisseur und der Hauptdarsteller über den stummen Bildern des Films ihre Kommentare und ihre Anekdoten erzählen. Auch hier wäre vielleicht ästhetisches Neuland zu entdecken gewesen.

Was geblieben ist, sind die klassischen Möglichkeiten wie Kapitelunterteilung, Sprachfassungen, Untertitelungen und das, was man Bonusmaterial nennt. Die meisten DVDs blieben auch beim Bonusmaterial bei dem, was eingeführt ist. Zum Standard gehörten Trailer, Making-of und Angaben zu den Autoren und Schauspieler, dies meistens in der Form von Texttafeln.

Bevor wir auf die heutigen Beispiele kommen, könnte man sich fragen, warum die technisch möglichen Formen nicht eingesetzt wurden und sich dieses potenziell neue Medium nicht entwickelt hat. Die erste und einfachste Antwort wäre, weil sich niemand dafür interessiert. Was interessiert, ist der Film. Alles andere interessiert vielleicht eine kleine Minderheit. Es gibt aber auch noch andere Gründe. Einer ist sicher in der die Ökonomie zu finden. Die Produktion einer DVD ohne Zusatzmaterial kostet vielleicht 2.000 Euro bei 1.000 Stück. Kommt zusätzliches Material hinzu, so kann dies leicht das 10 bis 20-fache sein. Es sind Kosten für das Menü, den Grafiker, die Rechtabgeltung oder die Produktion von Zusatzfilmen, zusätzliche Musikrechte usw. Für diese Kosten fühlt sich meistens niemand zuständig. Die Autoren möchten es zwar gerne machen, haben aber meistens kein Geld und sind nach einem langen Produktionsprozess ausgezehrt. Die Produzenten haben es nicht in ihrer Kalkulation und oft ist auch das Budget schon überschritten. Die Fernsehanstalten, die Verleiher und die Kinobetreiber sehen die DVD eher als eine Konkurrenz. Bei den Förderern gehörten die DVD-Kosten zum Vertrieb oder zum Verleih. Das Filmbüro NW war eine der ersten Förderungen, die solche Projekte auch in der Produktion gefördert hatte. Mittlerweilen hat sich das eingependelt und es gibt zum Beispiel bei der FFA ein gut ausgestattetes Programm, bei dem man zwischen 5.000 und 60.000 Euro beantragen kann.

In der Schweiz hatte sich die Situation etwas anders entwickelt, weil die Suissimage, eine Verwertungsgesellschaft, für drei Jahre ein spezielles Förderprogramm für die Überspielung von Schweizer Filmen auf DVD aufgelegt hatte. Je mehr Bonusmaterial auf der DVD war, desto höher war der Zuschuss. Dies hat dazu geführt, dass die Schweizer Filme zu einem hohen Prozentsatz auf DVD existieren und auch viele Zusatzmaterialien aufweisen. Das Zustandekommen dieses Programms der Suissimage hatte übrigens auch mit dem damaligen Workshop der Dokumentarfilminitiative zu tun. Es ist zu hoffen, dass der diesjährige Workshop auch zu einen solchen Seiteneffekt führen wird.

In Deutschland brauchte es etwas Zeit, damit sich Vertriebsstrukturen herausbilden konnten. Dieser Prozess ist aber seit 2-3 Jahren abgeschlossen. An diesem Prozess waren die Verleiher und nicht so sehr die Autoren oder die Produzenten beteiligt. Obwohl auch für die Verleiher der DVD-Vertrieb ein neues Gebiet ist. Verleihstrukturen und DVD - Vertriebsstrukturen sind anders gelagert.

Auch beim Buchhandel hat man nur zurückhaltend auf die DVD reagiert. Buchverlage haben mit Filmen nie verstanden richtig umzugehen. Auch das Potenzial für die verschiedenen Zwischenformen: Buch zum Film oder Film zum Buch oder alle anderen möglichen Überschneidungen, ist nicht ausgeschöpft.

Und vielleicht noch ein letzter Punkt. Die anfängliche Hoffnung auf eine Konvergenz und den damit verbundenen Synergieeffekten zwischen den traditionellen und den neuen Medien hat nicht in dem Masse stattgefunden wie er vielleicht möglich gewesen wäre.

Ich glaube, es hat vielmehr eine Aufteilung stattgefunden. Der Spielsektor, der Filmsektor und der Musiksektor haben sich eher getrennt. Von der Interaktivität beim Film spricht heute keiner mehr.

Warum ist dies so gekommen? Wir haben gesehen, dass die neuen digitalen Medien auch etwas kosten und niemand sich zunächst für die Finanzierung zuständig fühlte. Ein weiteres Element ist, dass mit dem Platzen der .com – Blase 2001 und dem Zusammenbruch der Neuen Märkte an der Börse, das Geld, das zunächst noch vorhanden war, nun nicht mehr da war. Im Gegenteil, alle neuen Ideen oder Möglichkeiten wurden jetzt doppelt skeptisch betrachtet.

Technische Entwicklungen, globale Ökonomie, die anfängliche Euphorie den neuen Medien gegenüber haben zunächst zu einer Überschätzung der Möglichkeiten und dann zu einem jähen Absturz geführt und vor allem allen experimentellen Ansätzen den Garaus gemacht.

Dies gilt auch für die „Streaming Medien“, auf die damals auch Autoren und freie Produzenten große Hoffnungen gesetzt haben. Hier ist der Absturz noch offensichtlicher. Bis heute gibt es in Deutschland kein funktionierendes System. Ich könnte die Frage in die Runde werfen, wer hat schon einen Film herunter geladen und dafür bezahlt? Oder ich könnte die anwesenden Autoren und Produzenten fragen: Wie viel haben sie mit „Streamig-Medien“ im letzten Jahr verdient? Ich glaube nicht, dass man mit der Summe einen neuen Film produzieren könnte.
Doch wie ich auf der Tagesordnung gesehen habe wird dies morgen das Thema sein.

Ich möchte nun einige Beispiele vorführen, die zeigen, dass wir vielleicht doch an der Schwelle zu einem neuen Medium stehen. Ich fange einmal mit meinen eigenen Projekten an, da ich sie natürlich am besten kenne und auch über die Kosten und die Schwierigkeiten Auskunft geben kann.

1. „Die Reise nach Kafiristan“ (2 DVD)

Fosco Dubini und Donatello Dubini, 100 Min.
Bonusmaterial 200 Min. und Begleitheft

Nach einem Introfilm gelangt man auf das Hauptmenü und kann von dort die für eine DVD üblichen Einstellungen vornehmen. So ist der Film in zehn Kapitel aufgeteilt und es können fünf verschiedenen Untertitelfassungen (Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Niederländisch) zugeschaltet werden. Die gesamte DVD ist, was die Grafik, die Menuführung und die Bonusfilme angeht, durchgehend auf Deutsch und Englisch. Das Bonusmaterial besteht aus den üblichen Ergänzungen, wie dem „Making of“, einer WDR-Sendung von 30 Min. und einer Reihe von acht Trailern anderer Filme der Regisseure.

Dann gibt es aber Materialien, die für die DVD besonders aufgearbeitet wurden. Der Film behandelt die Reise der Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach und der Ethnologin und Fotografin Ella Maillart im Jahre 1939 nach Afghanistan. Ella Maillart hatte während der Reise mit einer 16mm Kamera Filmaufnahmen gemacht, die sie zu einem 57 Min. Film in Schwarzweiß und zu einem 38 Min. Film in Farbe montiert hat. Die Filme sind ohne Ton, doch bei den Vorführungen hat sie diese meistens selbst kommentiert. Von einer solchen Vorführung aus dem Jahre 1989 ist eine Tonaufnahme erhalten geblieben. Aus diesen verschiedenen Elementen haben wir eine Filmfassung für die DVD rekonstruiert. Dabei haben wir auch Musikaufnahmen aus dem Jahre 1954 verwendet, die ein anderer Reiseschriftsteller, Nicolas Bouvier auf der gleichen Route
aufgenommen hat.
Von Annemarie Schwarzenbach wurden vier Texte ausgesucht und von der Schauspielerin Jeanette Hain gesprochen. Diese Texte sind Auszüge aus dem Roman über diese Reise, eine Erzählung über die Reise und einen Brief an Erika Mann. Der vierte Text bezieht sich auf Akten des FBI, das im Jahre 1941 deutsche Emigranten in Amerika observiert hatte, unter anderen auch Annemarie Schwarzenbach. Zu Annemarie Schwarzenbach ist zusätzlich der Trailer eines Dokumentarfilms eingefügt, in dem die einzigen Filmaufnahmen von ihr zu sehen sind. In der französischen DVD - Fassung ist der ganze Film zu sehen.
Das Begleitheft von 32 Seiten druckt Texte aus dem Exposé zum Film, eine Karte der Reise und einige Fotos von der Reise und den Dreharbeiten. Es hat sich herausgestellt, dass es sehr schwierig ist, lange Texte am Fernseher oder am Computer von einer DVD zu lesen. Ein Begleitheft in der Größe einer DVD ist daher meistens die bessere Lösung.

2. „Thomas Pynchon – A journey into the mind of “ (1 DVD)

Fosco Dubini und Donatello Dubini, 90 Min.
Special Edition: Pynchon Kongress, 7h 48 Min. (4 DVD)

Bei dieser DVD handelt es sich um eine zweiseitige DVD mit einer PAL und einer NTSC-Fassung für Amerika. Neben dem Hauptfilm, der in fünf Kapitel unterteilt ist und bei dem zu der englischen Originalfassung Untertitel in Deutsch, Französisch und Spanisch zugeschaltet werden können, enthält die DVD drei Ankündigungen. Der Film zur ersten Ankündigung mit dem Titel „the zone (germany)“, ist noch nicht fertig gestellt. Es geht dabei um die Reise der Hauptfigur aus dem Roman „Die Enden der Parabel“ durch das in Zonen aufgeteilte Deutschland von 1945. Dieser ganze Teil wurde aus dem Film herausgenommen, da es diesen zu kompliziert und zu lange machte. Weiter wird ein Film zu „the zone (Bagdad)“ über die Suche der USCOM - Kommission nach den Raketen von Sadam Hussein angekündigt. Auch dieser Film ist noch nicht
fertig gestellt.
Als drittes wird eine Dokumentation zu einem Kongress zu Thomas Pynchon angekündigt. Diese „special edition“ liegt in der Form von 4 DVD vor, die Vorträge von 14 Wissenschaftlerinnen und Wissenschafter enthalten. Das Material wird in der Form einer Dokumentation ohne große Bearbeitung präsentiert. Die DVD bietet den Autoren so die Möglichkeit, Teile, die aus verschiedenen Gründen nicht in den Film passen, doch noch zu präsentieren.
Bei unserem Dokumentarfilm „Hedy Lamarr – Secret of a Hollywood Star“ haben wir ein kleines Porträt namens „Hollywood Hairdresser“ von 10 Min. beifügen können. Dieses Interview wurde vor allem aus formalen Gründen nicht in den Film integriert. In einer DVD-Edition können also „mehr“ vom gleichen Material oder auch „anderes“ Material zugefügt werden. Es ist interessant, zum bearbeiteten, montierten Material dieses in einer ursprünglicheren Fassung zu präsentieren. Oft ist es gerade dieses „Rohmaterial“, dass einen neuen Bezug zur Realität herstellen kann, da im Fernsehen immer stärker „bearbeitet“, „dramatisiert“ und “personalisiert“ wird.
Das gesamte Projekt, das wir 1999 begannen, ist vollständig (Recherche, Kommunikation, Dreh, Schnitt, DVD) digital durchgeführt. Ähnlich wie bei einem Hypertext, kann hier von einem Element zu nächsten gesprungen werden. Es entsteht so eine Art Hyperfilm auf mehreren Ebenen.

3. „Seelen Schatten“ (1 DVD)

Dieter Gränicher, 85 Min.
18 Zusatzfilme, 300 Min. „Deptessionen“ (1 DVD), sowie ein Begleitheft

Das Projekt zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass neben dem eigentlichen Film, der für das Kino und das Fernsehen gemacht wurde, das gleiche und zusätzliches Material zu 18 kürzeren und mittellangen Filme geschnitten wurde. Dies ermöglicht neben dem allgemeinen und stärker bearbeiteten Kinofilm eine mehr auf das Thematische orientierte Präsentation.

Diese kurzen Filme werden vor allem in der Ausbildung und von den Betroffenen selbst gesehen. Das Begleitbuch ermöglicht es, selektiver vorzugehen. So ist zum Beispiel beim Film Nr. 11 „Körper – Resonanz“ von 5 Minunten der Tanz einer Betroffenen als ein nonverbaler Ausdruck ihrer depressiven Empfindungen, zu sehen. In dieser Form wäre dies innerhalb des „Hauptfilms“ nicht möglich gewesen.
Das Projekt zeigt, welche verschiedenen Strategien möglich sind. Wie es in der Schifffahrt die Möglichkeit gibt, mit einem großen Schiff oder mit einer Flotte von kleineren Schiffen zu operieren, gibt es auch hier die verschiedenen Möglichkeiten. So kann eine „Zielgruppe“ genauer getroffen werden.
Neben dem Begleitheft mit weiteren zusätzlichen Informationen gibt es noch einen Server, der jederzeit aktualisiert werden kann.

4. „Congo River – Beyond Darkness“ (2 DVD)

Thierry Michel, 116 Min.
Making of, 52 Min., Gespräch mit Thierry Michel, Musikclips, Fotobuch und Trigon-Magazin mit einem langen Interview.

Dieses Projekt zeichnet sich durch seine Informationsbreite und -tiefe aus. Neben dem Kinofilm wurde eine mehrteilige Fernsehfassung hergestellt.
Das ‚Making of’ und das ‚Gespräch’ geben zusätzliche Einblicke. Zeigt der Hauptfilm die Reise von der Mündung bis zur Quelle des Kongos in zum Teil epischen Bildern, so zeigt das ‚Making of’ die Schwierigkeiten den Film zu drehen, wie die Probleme mit den Genehmigungen, dem Strom und der gesamten Logistik. Dies sagt sehr viel über den heutigen Zustand des Landes aus. Das Gespräch mit dem Regisseur, das einige Zeit nach den Dreharbeiten aufgenommen wurde, bringt eine weitere Perspektive. Die Musikclips verwenden Fotos aus dem Fotobuch und geben durch die Liedtexte die Perspektive der kongolesischen Musiker wieder.

5. „Deutschland: Schicksalsstunden“ (12 DVD)

Die ZEIT Dokumentation
Begleitbuch mit ZEIT- Artikeln

Die Edition versammelt 12 Filme und 12 ZEIT – Artikel über Ereignisse, „Schicksalsstunden“, aus der Geschichte Deutschland von 1942 bis 1992. Bei den Filmen handelt es sich vorwiegend um Fernsehfilme der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Neben einem Fernsehspiel gibt es sieben Doku-Dramen, aber nur einen Spielfilm. Würde die Geschichte eines anderen Landes, wie zum Beispiel die Frankreichs, Italiens
oder der USA über 50 Jahre nachgezeichnet, würde man auf viel mehr Spielfilme zurückgreifen. Insoweit zeigt diese Edition, welche Bedeutung das Fernsehen für die Aufzeichnung der Geschichte in Deutschland hat. Drei der Filme sind dokumentarische Filme, eine Reportage, eine Dokumentation und ein Dokumentarfilm. Auch dies zeigt den Stellenwert der dokumentarischen Formen bei der Aufarbeitung der Geschichte im deutschen Fernsehen. Interessant ist es zu sehen, dass der Abstand zwischen dem Ereignis und der Herstellung des Films im Durchschnitt etwa 30 Jahre beträgt. Auch hier zeigt sich eine deutsche Besonderheit. Amerikanische Filme, die zum Beispiel den Vietnamkrieg behandeln, wurden sehr viel schneller produziert.

Erhellend ist es, die Filme mit den dazu abgedruckten Artikel aus der ZEIT in Zusammenhang zu setzen. Oft sind die Artikel sehr viel präziser, obwohl sie meistens zeitnah zum Ereignis geschrieben wurden. Interessant ist in diesem Zusammenhang nicht nur das Verhältnis von Dokument und Fiktion in den Filmen, sondern auch das Verhältnis von Bild und Wort. In diesem Zusammenhang ergibt sich eine neue
Betrachtungsweise von Zeitgeschichte und es ist auch gut zu erkennen, dass Geschichte selbst einen wichtigen Bestandteil der Politik bildet.
Die Edition beschränkt sich darauf, einzelne Texte und Filme als ein geschlossenes Werk in einen Zusammenhang zu bringen und verzichtet darauf, Bezüge innerhalb der Filme und der Texte herzustellen. So bezieht sich der Spielfilm „Die Wannseekonferenz“ auf ein Protokoll dieser Konferenz. Es wäre interessant gewesen, auch auf dieses Dokument zurückgreifen zu können, wie dies zum Beispiel in der DVD zu „Taxi driver“ verwirklicht wurde. Dort kann man auf das Drehbuch klicken und dann von der Textseite direkt in die Filmszene wechseln. Auch gibt es dort ein Element, bei dem man die Zeichnungen zu den Szenen und die Szenen selbst in einem Zusammenhang sehen kann.

6. Alexander Kluge - Sämtliche Kinofilme (16 DVD)

Kinofilme und Fernsehsendungen dtcp, 2053 Min.
Beibuch und Texte zu den Filmen sowie Romane, die als Vorlage für die Filme dienten

Eine etwas andere Art der Darstellung und Analyse der deutschen Geschichte durch Filme, Bilder und Texte bildet die Kluge – Edition. Kluges Werk ist geradezu prädestiniert für eine DVD – Edition. Zunächst einmal hat er selbst als Schriftsteller und Wissenschaftler unzählige Texte geschrieben. Dann hat er sowohl Kinofilme wie in den letzten zwei Jahrzehnten Fernsehsendungen produziert. Es steht also ein große Menge
Material zur Verfügung, dass zudem noch durch die Perspektive des Autors, in einen Zusammenhang gebracht wird.
Ausgehend von der Analyse seiner Texte und seiner Filme ließe sich eine Dramaturgie für ein „neues Medium“ DVD konstruieren.
In seinen „Ulmer Dramaturgien“ sind die Grundelemente beschrieben. Nach dem Oberhausener Manifest von 1962 hatte er mit anderen in Ulm das „Institut für Filmgestaltung“ gegründet, das später dann in die Hochschule für Film und Fernsehen in München überging.
Bei diesem ersten Institut bezog er sich auch auf die Tradition des Bauhauses. Kluge schreibt dazu: „Der Hauptsatz heißt vereinfacht: radikale Kürze, Erfindungen, die höhere Längen und Intensitätsgrade zulassen. Das bedeutet Auffächerung der Dramaturgie.“ In weiteren Kapiteln wird dies erläutert. In „Dramaturgie der Kürze“ plädiert er für kurze Filme, eine Art Kurzschrift der Erfahrung, die er „Miniaturen“ nennt. In „Dramaturgie des Zusammenhangs“ fordert er einen umgekehrten Weg. Er verweist dabei auf eine Reihe von 22 Filmen über die Studentische Protestbewegung zwischen 1966 und 1967 mit einer Gesamtlänge von neun Stunden, die die Ereignisse ausführlich dokumentieren. In „Mischformen, Querschnittsmethode“ geht es darum, diese verschiedenen Formen zu kombinieren. In „Fiktion, Dokumentation“ geht es darum, die musikalisch-poetisch erzählenden und die dokumentarischen Formen in einen sich ergänzenden Zusammenhang zu bringen. Dies kann man besonders gut am Beispiel von „Deutschland im Herbst“ sehen.

In „Einfachheit“ bezieht er sich auch darauf, dass dem Institut immer nur geringe Mittel zur Verfügung standen. Er entwickelt daraus einen eigenen Realismusbegriff. „Fakten alleine sind nicht wirklich, Wünsche nur für sich auch nicht. (...) Wahr ist der Kontrast, die Vielgestaltigkeit.“
Es ist interessant zu sehen, dass die Praxis im Internet ziemlich genau dem entspricht. Es gibt die kurzen Clips bei „YouTube“ und die „Überwachungskameras“, die alles mögliche beobachten. Die ausgearbeiteten und montierten Formen finden im Internet jedoch nicht statt. Die DVD - Editionen könnten unsere Kultur auf eine ähnliche Weise verändern, wie die Einführung der Schrift. Filme und Fernsehsendungen wären keine nur flüchtigen Ereignisse mehr. Der Übergang vom gesprochenen Wort zum geschriebenen Satz und dann zum Buch und zu einer Bibliothek, war einer der entscheidenden Wendepunkte in der kulturellen Entwicklung. Das gleiche könnte sich nun auch auf der Ebene des Gesehenen und der Bilder wiederholen. Bilder würden in eine immer wieder abrufbare Ordnung gebracht und ständig verfügbar gehalten.

Fosco Dubini, dubinifilm(at)t-online.de, www.diereisenachkafiristan.de

PDF der Präsentation

PDF dr Präsentation

Lange Jahre war die Digitalisierung etwas für Medienkongresse und ein sehr umfangreiches Thema für Medienphilosophen. Jetzt ist sie plötzlich da und zwar ganz real und ganz schön mächtig. ZDF-Intendant Markus Schächter hat das auf den diesjährigen „Mainzer Tagen der Medienkritik“ so formuliert: „„Die Dynamik der zweiten digitalen Welle besitzt die Durchschlagskraft und die Veränderungsmacht eines fundamentalen Paradigmenwechsels. Wenn in den nächsten fünf Jahren der analoge Switch off vollzogen ist, dann sind die heutigen Unterschiede zwischen Fernsehen und Internet durchgehend verschwunden.“

Man sieht es zum Beispiel auch an den digitalen Programmbouquets der öffentlich-rechtlichen Sender. Es gibt sie schon seit Jahren, aber niemand hat sie bemerkt, weil sie unter der Schwelle der öffentlichen Wahrnehmung lagen. Eins Festival z.B. hatte grade mal einen Marktanteil von 0,01 Prozent. Aber jetzt wollen sowohl ARD wie ZDF diese Bouquets ausbauen. Aus „Eins Extra“ zum Beispiel will die ARD einen Nachrichtenkanal basteln, indem sie sozusagen die Nachrichtenredaktionen beim NDR prolongiert. Das ZDF hat mit „ZDF Info“ das Gleiche vor.

Daran hat sich auch sofort eine medienpolitische Debatte entwickelt, ob die Öffentlich-rechtlichen das überhaupt dürfen. Die Zeitungsverleger und die Zeitschriftenverleger sehen sich insgesamt durch die Internet- Aktivitäten in ihren Geschäften bedroht und die Privatsender befürchten, durch öffentlich-rechtliche Nachrichtenkanäle stünden ihre eigenen Nachrichtensender N24 und n-tv bald vor dem Konkurs. RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt und ProSiebenSat.1-Chef Guillaume de Posch haben den Ministerpräsidenten der Länder, die für die Medienpolitik zuständig sind, sogar einen Beschwerdebrief geschickt: angeblich gefährden die öffentlich- rechtlichen Sender die privaten Nachrichtenkanäle. Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) droht, wieder in Brüssel vorstellig zu werden, wenn ARD und ZDF weiterhin ihre Digitalsender ausbauen. All diese Debatten werden noch schärfer werden und das zeigt schon, dass einiges auf dem Spiel steht.

Und schließlich zeigt auch die Funkausstellung, wo es demnächst lang geht. Das ZDF hat die nunmehr dritte Version ihrer „Mediathek“ vorgestellt. Dort sind jetzt angeblich etwa 50 Prozent der Programme sieben Tage nach der ersten Ausstrahlung abrufbereit, kostenloses Abruffernsehen. Die ARD ist noch nicht ganz soweit, aber sie plant mit ihrem Angebot, das sie einfallsreich ebenso „Mediathek“ nennt, genau das Gleiche.

Was sie darüber hinaus noch planen, dazu gleich noch Näheres. Ich will zuvor aber noch einmal die Umrisse skizzieren, was alles und wer aller von dem Prozess der Digitalisierung betroffen und getroffen ist.

Digitalisierung hat zunächst einmal Auswirkung auf das Mediensystem als Ganzes. So lösen sich die bis jetzt eher bequemen Verhältnisse des „dualen Systems“ auf. Neue Betreiber kommen ins Spiel, sind schon im Spiel. Die Kabelgesellschaften etwa, die zugleich auch Programme bündeln und anbieten. Ebenso die Telekommunikationsfirmen, die ihrerseits selbst auch Programm veranstalten wollen, mit ihrem Modell „Triple play“ – Telefon, Internet und Fernsehe aus einer Hand – schon unterwegs sind und den Markt mit bislang noch nicht allzu großem Erfolg aufmischen.

Die Erosion des dualen Medienmodells trifft natürlich auch die kommerziellen Fernsehsender, die darüber gar nichts so glücklich sind. Sie müssen sich auch nach neuen Geschäftsmodellen umsehen. Die kommerziellen Sender zielen auf Pay-TV und bauen derzeit auch ihre Digitalkanäle und Video on Demand Plattformen auf.

Da die Digitalisierung auch den Frequenzmangel behebt, steht jedenfalls eine Programmvermehrung bevor, die ihrerseits wieder Metamedien auf den Plan rufen wird. Sie sollen den Zuschauern helfen, sich im digitalen Überfluss zurechtzufinden. Elektronische Programmführer werden immer wichtiger werden und eine zentrale medienpolitische Forderung der öffentlich-rechtlichen lautet denn auch, sie müssten nicht nur in den diversen Plattformen diskriminierungsfrei vorkommen (sogenannte must-carry-Regelung), sondern es müsse auch dafür gesorgt werden, dass sie jederzeit und überall auffindbar sind – die sogenannte „moust-be-found“- Regelung.

Mit der Digitalisierung verbilligen sich zugleich auch Programme und es wird möglich, auf der Grundlage viel kleinerer Zuschauerschaften Spartenprogramme und Spartensender aufzubauen. Derzeit schießen zahlreiche Sender aus dem Boden und der alte Spruch vom Spartenkanal für Jäger und Fischer wird real - Von HelpTV des Jürgen Fliege über das Gesundheits-TV, vom Bestattungskanal zu Astro-TV finden sich schon jetzt zahlreiche Spartenkanäle im digitalen Satellitenfernsehen. Dazu kommen noch die IP-TV-Sender, die sich ausschließlich im Netz tummeln, von Ehrensenf bis Hausgemacht.tv.

Mit der Digitalisierung eröffnet sich zugleich auch die Möglichkeit eines ganz anderen Zugangs zu den Zuschauern, sozusagen von der medialen Schrotflinte zum Gewehr mit Zielfernrohr. Digitale Datenströme ermöglichen genaue Adressierung der Zuschauer, im Extremfall sogar des einzelnen Zuschauers. Das allerdings funktioniert nicht bei Free-TV, beim freien Zugang zum digitalen Signal. Dazu müsste es verschlüsselt werden. Verschlüsselung liegt eigentlich in der inneren Logik von Digitalisierung unter kommerziellen Bedingungen. Satellitenbetreiber sind mit dieser Idee auch schon öffentlich vorstellig geworden, aber medienpolitisch ist das derzeit nicht durchsetzbar. Aus der Welt ist die Verwandlung des Fernsehens in Bezahl-Fernsehen damit aber noch lange nicht.

Schließlich noch einige Zahlen über die Digitalisierung, entnommen dem neuesten Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten. Die Medienwächter gehen übrigens davon aus, dass die endgültige Umschaltung von analog auf digital nicht wie geplant 2010 vollständig vollzogen sein wird. Das kann sich noch um zwei Jahre verzögern.

Inzwischen ist der Anteil der deutschen Fernsehhaushalte, die digitales Fernsehen empfangen können, 2006 auf 40 Prozent gestiegen. 2005 waren es noch 31,6, Prozent. Allerdings haben sich die Übertragungswege unterschiedlich entwickelt. Am weitesten vorangeschritten ist die Digitalisierung beim Antennenfernsehen, dem so genannten DVB-T. 86% der terrestrischen Haushalte empfangen digital. Das ist allerdings auch kein Wunder, denn die analoge terrestrische Übertragung ist weitgehend eingestellt worden. Damit hat die Terrestrik auch ihren Anteil an den Übertragungswegen von 9,2 % auf 11,5 % steigern können. Beim Satellitenfernsehen ist der Anteil der Digitalhaushalte auf über 57 % gestiegen. Die geringste Steigerung der Digitalhaushalte und den kleinsten Anteil dagegen findet man im Kabelfernsehen, das in Deutschland der der wichtigste Übertragungsweg ist. Nur 16,2 % der Kabelhaushalte haben auch einen digitalen Empfänger.

Soweit einige Markierungspunkte im Mediensystem als Ganzes. Welche Folgen wird diese Entwicklung haben? Vor wenigen Wochen hatten die Gremienvorsitzenden der neun ARD-Anstalten auf ihrer Gremienvorsitzendenkonferenz ein Schockerlebnis. Sie hatten Tim Weber von BBC News Interactive eingeladen, er leitet dort die Wirtschaftsredaktion. Seine Diagnose war kurz und niederschmetternd. Sie lautete „Der Sender ist tot.“ Mit linearen, zeitabhängigen Programmen sei der neue Medienwettbewerb nicht zu gewinnen. Die Onlinewelt kenne keine Programme. Die neuen Videoplattformen würden den Medienkonsum zersplittern. Die BBC reagiere darauf mit einer „Multiplattform“-Strategie. Inhalte werden nicht mehr nur für ein Medium, sondern multimedial erstellt. Die Sender müssten dorthin gehen, wo das Publikum sei und das Publikum wolle zunehmend selbst bestimmen, wann und wo es mit den Medien umgehe. Weber zitierte auch den BBC-Generaldirektor Marc Thompson, wohin die Entwicklung gehe: nämlich "vom passiven zum aktiven Publikum, das sagt, was es will, wie es das will und wann es das will".

Ganz so dramatisch scheint man bei den Öffentlichrechtlichen den Niedergang des ganz gewöhnlichen Fernsehens und das Verschwinden der Couch-Potatoes nicht vorauszusehen – man weiß freilich nicht recht, ob hier nicht Pfeifen im dunklen Wald angesagt ist.

Aus der Sicht des ARD-Vorsitzenden Fritz Raff jedenfalls gehen ARD und ZDF geradezu umgekehrt zur BBC vor. Während die BBC Fernsehen und Radio von den Internatplattformen aus definiert, definieren die Öffentlichrechtlichen ihre Internetplattformen von Radio und Fernsehen aus und wollen entsprechend mit kleinen Schritten vorangehen.

Das klingt irgendwie einleuchtend, trifft aber die Wahrheit auch nur zum Teil. Denn tatsächlich steckt in den Digitalstrategien beider Sender mehr und die Digitalisierung hat ja auch ihre eigene Logik. Das kann man eben deutlich sehen an der Verwandlung von bisher unscheinbaren Digitalprogrammen wie „EinsExtra“ oder „ZDF-Info“ in Nachrichtenkanäle.

Das ZDF war mit seiner Digitalstrategie schon etwas früher fertig als die ARD. Im Februar wurde sie vom Verwaltungsrat die Digitalisierungsstragie abgesegnet. Ihr Kern ist: Abruf-Fernsehen werde zu einem festen Bestandteil der Fernsehnutzung gehören und das an feste Zeiten gebundene Echtzeitfernsehen ergänzen. ZDF-Intendant Markus Schächter hat dazu auf der Funkausstellung erklärt, das sei "Kerngeschäft" des Senders und ein "unabdingbares Komplementär zum Echtzeitfernsehen.“

Die jetzt zur Funkausstellung vorgestellte Version der „Mediathek“ ist eine Videoplattform. Darüber bietet das ZDF, vergleichbar dem Beispiel der BBC, den Zuschauern an, innerhalb von sieben Tagen kostenlos Programme herunterzuladen, vor allem Informationen und Dokumentationen. Begrenzt ist die Auswahl durch die Urheberrechte. Viele Sendungen stehen deshalb nicht auf Abruf, weil die Rechte dazu nicht vorliegen. Markus Schächter hat auf der IFA angekündigt, mit den Produzentenverbänden Verhandlungen aufnehmen zu wollen..

Wie sich diese „Mediatheken“ entwickeln werden, wird man sehen. Ganz klar scheint ihr wirklicher Mehrwert noch nicht. Wer wird schon Nachrichten, die er am Vorabend verpasst hat, am nächsten Morgen nachholen? – da kann er gleich zum Frühstücksfernsehen gehen. Interessanter wird sein, ob die Fernsehsender mit den Programme, die sie eigentlich nur recyclen, auch etwas Neues zusammenrecyclen und einen neuen Zusammenhang herstellen.

So etwas hat das ZDF durchaus vor – nämlich zum Beispiel ein Abrufportal für Schulen und Schüler, in dem historische und Bildungsprogramme zu neuen digitalen Programmkombinationen zusammengefügt werden und auf das die Bildungsträger zugreifen können. Ob es bei der Devise, Mehrwert ohne Kosten blieben wird, ist auch nicht wirklich vorauszusagen. Je mehr Leute die Videothek in Anspruch nehmen, umso mehr steigen auch die Kosten. Derzeit hat das ZDF für dafür einen Jahresetat von 4,2 Millionen Euro angesetzt, davon zwei Millionen für den Rechteeinkauf.

Die ARD folgte im Juni mit einer öffentlichen Präsentation ihrer Digitalstrategie, die ähnlichen Prinzipien folgt. Federführend ist der SWR, der den Auftrag hat, ein On- Demand-Angebot sicherzustellen. Gleichzeitig hat der SWR selbst, wie andere ARD-Sender auch, ein eigenes Download-Portal eingerichtet. Im WDR steht „Regional Portal“ geben, in das die regionale WDR-Lokalzeit hineinarbeitet.

In der ARD sieht man Fernsehen nach dem Internetprotokoll als kommenden vierten Übertragungsweg. Die ARD will man nach der Formel „Umbau statt Ausbau“ agieren, also keine neuen Inhalte schaffen, sondern die vorhandenen Inhalte bündeln und für sie neue Zugänge schaffen. Das dürfte, wie beim ZDF auch, zu neuen „Contentformaten“ führen. Die ARD denkt hier an drei Themengruppen: Programme für Kinder, Wissensprogramme und Programme für die Integration. Auf der Funkausstellung hat die ARD nur eine Showversion ihrer „Mediathek“ vorstellen können, will aber im Herbst gleichfalls mit einem Abrufangebot aufwarten. Außerdem ist die ARD mit der „100 Sekunden-Tagesschau“ auch schon ins Handy-TV eingestiegen, seit dem 16. Juli. Das ZDF ist zur IFA mit der Schmalspurausgabe von „heute“ gefolgt.

Was bedeutet das alles für die dokumentarischen Programme? Wie es im Moment aussieht, sind derzeit gerade die Öffentlich-rechtlichen die Gewinner der Entwicklung, jedenfalls solange die neuen Player auf dem Markt noch nicht so recht aus den Starterboxen kommen. Aus dem Zwang, sich öffentlich-rechtlich legitimieren zu müssen, entwickelt sich eine Diskussion um Qualität und um gesellschaftlich-relevante Inhalte, die durchaus nützen kann. Denn die privaten haben zwar gute Umsätze, aber ein schlechtes Image, wie etwa die Diskussion um SAT.1 und die Heuschrecken zeigt.

Das Stichwort der Stunde ist „public value“, gesellschaftlicher Mehrwert. Mit „public value“ wollen sich die öffentlich-rechtlichen Sender legitimieren. Sie bekommen das auch von der EU aufgedrückt. Die EUKommission verlangt einen „public value test“, bei dem geprüft werden soll, ob neue digitale Angebote zum öffentlich-rechtlichen Auftrag passen. Einer solchen Prüfung des gesellschaftlichen Mehrwerts werden die Sender sich also stellen müssen – die BBC hat diese Übung schon absolviert. In Deutschland denken die meisten Sender noch, mit den jeweiligen Selbstverpflichtungen, die fast mehr so etwas wie Selbstdarstellungen sind, kämen sie über die Runden. Da werden sie sich wohl täuschen.

Insgesamt bedeutet das, dass der Bedarf an dokumentarischen Programmen jedenfalls nicht sinkt. Sie zählen zum Kernbestand öffentlich-rechtlichen Fernsehens, wie jedenfalls ZDF-Intendant Markus Schächter immer wieder betont und dabei nie vergisst „37 Grad“ zu erwähnen. Das wäre die gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht ist, dass mit der großen Programm- und Kanalvermehrung die Produktionskapazität nicht ausgeweitet wird. Es handelt sich in der Regel um Neukombinationen und Mehrfachverwertung vorhandener Programme. Verstärkt wird eher der ohnehin schon starke Druck in Richtung Formatierung und Modularisierung der Produktionen, damit sie in verschiedenen Kontexten recycelt und in neuen Kontexten neu zusammengesetzt werden können. Das geschieht allerdings ohnehin schon seit Jahren und wird sicherlich noch mehr werden. Dagegen wird sich die Nischenstellung, in der sich der klassische Autorendokumentarfilm befindet, nicht auflösen.

Was die „Mediatheken“ angeht - zieht man aus den aufgeregten Diskussionen die interessengeleiteten Informationen und Interpretationen ab, so ergibt sich für die nächsten Jahre das Bild, dass das nicht-lineare Abruffernsehen zwar neben das lineare Echtzeit-Fernsehen treten, es aber nicht ablösen wird.

Interessant wird auch werden, wie sich die jetzt angeleierten öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanäle entwickeln werden. Bis jetzt haben wir beobachten können, dass sich Nachrichtenkanäle zu Abspielplätzen für Dokus entwickelt haben. N24 oder n-tv zum Beispiel mit ihen meist so genannten männeraffinen Programmen mit Monstermaschinen und HighTech. Aber auch „Phoenix“ hat sich eigentlich vom Ereignis- zum Doku-Kanal entwickelt und gräbt 3Sat deutlich das Wasser ab.

Die zentrale Frage ist, ob beispielsweise Zweit- oder Drittverwertungen auf neuen Kanälen oder in neuen Kontexten honoriert werden. Oder ob die bisherige Praxis fortgesetzt wird, genau dies nicht zu tun. (Da geht es uns Journalisten übrigens nicht anders – wir haben alle zur Unterschrift vorgelegt bekommen, dass wir alle Verwertungsrechte an unseren Texten abtreten müssen). Im ARD-Strategiepapier findet sich dazu folgende Passage: „Für die zusätzliche Ausspielung bereits bearbeiteter Inhalte auf weiteren Wegen entsteht redaktionell nur ein vergleichsweise geringer Aufwand. Hinsichtlich der urheber- und leistungsschutzrechtlichen Nutzungsrechte bemüht sich die ARD, die bisherigen Regeln zur Wiederholungs- und Übernahme-Honorierung im Sinne einer Zeitfenster-Regelung den Nutzungsformen in der digitalen Welt entsprechend fortzuentwickeln. Technische Verbreitungskosten sind im Internet abhängig von Nutzerzahl und Nutzungsdauer, aber unabhängig von Zahl und Umfang der unterbreiteten Angebote.“ Das klingt nicht danach, als wollten die Sender künftig für mehr Programm auch mehr Geld ausgeben.

Angesichts dieser Lage ist es nur logisch, wenn etwa Dokumentaristen andere und neue Wege der Verwertung suchen. Ich würde dennoch dafür plädieren, bei den öffentlich-rechtlichen Sendern den alten Brecht’schen Satz anzuwenden, wonach die Widersprüche die Hoffnungen sind. Wenn ARD und ZDF auf „public value“ setzen wollen oder müssen, dann haben die Dokumentaristen etwas anzubieten. Ihr Genre ist nicht spezialistisch, sondern generalistisch. Sie befriedigen nicht Spezialinteressen für Spezialkanäle, sondern öffnen den Blick in die Welt, können Zuschauer überraschen und mit Unerwartetem konfrontieren.

Das kann, angesichts der Tendenz zum selbstgenügsamen Konsum, den die Zielgruppenmedien bieten, nicht nur verlockend sein, sondern auch notwendig. Die Gesellschaft produziert Widersprüchliches. Einerseits Spezialmedien für Spezialinteressen und Fachidioten, selbstgenügsamen Konsum nach einmal erkannten Vorlieben. Andererseits kann die Gesellschaft solche reduzierte, eingeschränkte Wahrnehmung gar nicht brauchen. Sie braucht wache Leute, neugierige, veränderungsbereite und veränderungsfähige, flexible Menschen. Kurz: Sie braucht Kultur und nicht nur Konsum.

Ich will das abschließend am Hörfunk, wo die Entwicklung schon etwas weiter ist, illustrieren. Natürlich haben wir die vielen lärmenden Musikabspielmaschinen mit Werbekrach, die lokalen Radios mit Werbeunterbrechung, die Großstadtradios mit ihren schwachsinnigen Gewinnspielen – und dennoch macht in den letzten Jahren die Erfahrung, dass die Qualität des Radios durchaus gefragt ist, ob in Echtzeit oder als podcast, ob analog oder digital. Wortprogramme z.B. werden von zunehmend mehr Leuten für wichtig erachtet. Viele wollen einfach nicht mehr tot gedudelt und tot gelabert werden. Sie wollen sogar etwas lernen.

Ich habe jüngst ein langes Gespräch mit Alfred Treiber gehabt, dem Programmchef des österreichischen Kulturradios Ö1. Das ist auch in Minderheitenprogramm, aber mit einer Tagesreichweite von 8,8 Prozent das auffälligste und auch in Europa das außergewöhnlichste.
Diese Position hat es sich nicht erkämpft durch Anpassung an die jeweils neuesten Moden. Sondern geradezu durch die Weigerung, sich als Nebenbei- Begleitprogramm zu definieren. Ö1 definiert sich explizit als Kultursender, kümmert sich sehr genau darum, was seine Zuhörer hören wollen, betrachtet sie aber als mündige Wesen und nicht als radiophone Idioten. Die Macher bestehen darauf, dass ihr Gegenstand Kultur ist. Dass z.B. Musik ein schöpferisches Ereignis ist (und nicht bloß Weichmacher nd Entspannung) und Information komplex und nicht bloß ein Häppchen und ein Schluck. Dass es nicht rückständig ist, etwas lernen zu wollen – in der wachsenden Unübersichtlichkeit umso mehr. Das ist der eigentliche Inhalt von „public value“ - und diesen Wert einzulösen, darauf sollte man drängen, solange es noch etwas zu drängen gibt.

PDF des Statements

Was bleibt? Was kommt? Jeder der mit Film und Fotografie zu tun hat weiß: Materialien werden vom Markt genommen, die analog arbeitenden Bereiche werden kleiner oder verschwinden, bestimmte künstlerische und ästhetische Möglichkeiten verschwinden mit ihnen. Wir haben es mittlerweile mit einer Diktatur des Digitalen zu tun. Sprachlich wird die digitale Zukunft mit einer Vehemenz angekündigt und beworben, die dem Einzelnen signalisiert, dass er nichts mehr (anders) machen kann, sondern nur noch mitmachen. Er hat keine Wahl mehr. Diktatur heißt nicht nur: Auslöschung analoger Aufnahme- und Abspieltechniken, sondern auch Zerstörung traditioneller Verwertungsarten wie das Kino und damit auch eine bestimmte Art und Weise, Filme zu sehen, dem Fluss einer Erzählung zu folgen.

Die Standards und Formatkriterien werden dabei von denen gesetzt, die sich auch den Aufbau der großen Portale leisten können, um die Brücke vom Internet zum Fernsehen zu bauen. Wie schon bei den verschiedensten „Revolutionen“ der Medientechnik zuvor sind die Künstler mit experimentellen und anspruchsvollen Arbeiten willkommen bei der Erprobung und Vervollkommnung der technischen Testphase. Wenn alles reibungslos läuft, müssen sie allerdings die Teststrecke wieder räumen, und (bestenfalls) in die Kunstecke zurück.

Die Position des Filmemachers ist angesichts der Entwicklung zwangsläufig zwiespältig und schizophren:
Indem er alle diese Möglichkeiten zu nutzen versucht in der Hoffnung, so die Nische für seine Filme zu behaupten oder sogar zu vergrößern, arbeitet er gleichzeitig (wissentlich oder unwissentlich) an seiner Selbstabschaffung und Selbstauslöschung. Denn diese digitalen Möglichkeiten verändern ja auch das Filmemachen selbst, diktieren zunehmend künstlerische, ästhetische und produktionstechnische Parameter, und dynamisieren den Prozess der Aushöhlung von Begriffen wie Dokument, Wahrhaftigkeit und Wirklichkeit, die, zwar seit Beginn des Genres umstritten, den Kern der Identität des Dokumentarfilms bilden.
Indem er sich in das Gespinst von technischen Bedingungen und Notwendigkeiten verwickeln lässt, deren Kenntnis die Herstellung von Websites, Weblogs, DVD, Video on Demand oder Streaming erfordert, gibt der Filmemacher Zeit ab, die er eigentlich für die Entwicklung von Filmen bräuchte, die eben diese Entwicklungen reflektieren. Diktatur heißt auch, ganz allgemein: verordnete Dogmen verschiedenster Art. Aber alles, was zum Dogma erstarrt ist verlangt nach einer Aufklärung. Nach einer Aufklärung der Aufklärung. Wie die aussehen soll? Wäre es nicht spannend, wenigstens darüber zu diskutieren?

PDF der Präsentation

Wir haben die ONLINEFILM AG gegründet, damit wir uns einen eigenen Marktplatz aufbauen können, auf dem wir unsere Filme in Zukunft selbst per Video-on-Demand zum Verkauf anbieten können. 122 Aktionäre - die meisten davon aus der AG DOK - fast alle Regisseure oder Produzenten oder beides haben sich bereits im Jahr 2000 zusammengetan, damit wir die Firma gründen und auf’s Gleis setzen konnten.

Nach anfänglichen Enttäuschungen während und nach dem Börsencrash im Jahr 2001 und der Krise, in die danach viele Internet-Unternehmen geraten sind, ist es uns Anfang dieses Jahres gelungen eine Förderung in Höhe von 300.000 EUR von MEDIA einzuwerben, verbunden mit der Option, im nächsten und übernächsten Jahr jeweils weitere 300.000 EUR bei der EU im MEDIA-Programm zu beantragen. Der Folgeantrag ist inzwischen eingereicht.

Mit dieser Förderung über insgesamt 900.000 EUR haben wir nun endlich eine realistische Chance, unser ehrgeiziges Projekt, das uns in Zukunft den Direktvertieb unserer Filme und eine größere Unabhängigkeit gewähren soll zu realisieren. Voraussetzung für die Auszahlung der Fördermittel ist aber eine solide Gegenfinanzierung.

Zur Erinnerung: Was wir für uns alle (auch für nicht Aktionäre!) aufbauen wollen

Mit dem Projekt ONLINEFILM.org wollen wir eine neue, legale Distributionsplattform für die kostengünstige Verbreitung und die Vermarktung von europäischen Filmen über das Internet nach Deutschland, Europa und in die ganze Welt schaffen. Ist der Film einmal in das System eingestellt, kann er auch sehr einfach über europäische Partner-Websites, Festivals, Förderer und Andere angeboten und verkauft werden. Einen Link auf die eigene Website zu setzen, um so die eigenen Filme direkt zum Kauf anzubieten, wird nur wenige Minuten dauern.

Wir bauen uns eine sehr flexible Plattform für den Vertrieb von Filmen (zunächst Dokumentarfilme) im Internet auf, die zu den ersten Adressen für Dokumentarfilme aus Europa im Internet gehören soll und das Beste daran: Sie wird uns allen gemeinsam gehören!

Wir arbeiten mit voller Kraft an dieser für uns alle so ungeheuer wichtigen Sache, denn inzwischen sind andere große Marktteilnehmer aufgewacht und versuchen, das Geschäft mit den Rechten für Video-on-Demand ohne uns bzw. zu ihren Bedingungen zu machen.

Das Ausland staunt und will mit an Bord

Inzwischen schauen Kollegen aus ganz Europa und sogar Nordamerika hoffnungsvoll auf uns, denn eine so große und starke Bewegung wie wir mit der ONLINEFILM AG hat noch kein anderes Land zu Stande gebracht. Da dominieren überall die Medienkonzerne, bestenfalls kleinere Zusammenschlüsse und Einzelkämpfer. Auch die Initiativen von einzelnen Programmierern die vermehrt ihre Dienste anbieten, scheinen uns eher gefährlich als hilfreich zu sein. Die Erfahrung mit dem Internet zeigt, dass diese Portale, sobald sie mit unseren Inhalten gefüllt sind, sehr schnell an große Medienunternehmen verkauft werden, mitsamt dem Inhalt und den Kunden (vergleiche youtube.com, IMDB.com, studivz.de, myspace.com).

Viele Filmemacher-Initiativen und auch Festivals wollen sich gerne mit uns zusammenschließen, um gemeinsam an diesem einen großen Portal zu bauen, wo wir alle die gleiche Technik benutzen und uns bei aller Konkurrenz untereinander trotzdem gegenseitig beim Vertrieb unserer Filme unterstützen.

Immer mehr Kollegen erkennen, dass uns dieses Portal selbst gehören muß, damit uns - haben wir es erstmal durch unsere Filme beim Publikum bekannt und beliebt gemacht - nicht ein fremder Betreiber die Bedingungen diktieren kann, zu denen er dann unsere Filme „seinen Kunden“ anbietet.

Es liegen uns zur Zeit Partner-Anfragen aus 9 europäischen Ländern vor; Griechenland, Litauen und Lettland sind bereits schon jetzt dabei. Bei unserem neuen Antrag haben wir Italien, Zypern und Slowenien neu mit ins Boot genommen. Eine Initiative, die aus den Ländern Holland, Österreich, Ungarn, Bulgarien und Portugal kommt, hat uns gerade ein Kooperationsangebot unterbreitet und will unsere Technik mit nutzen, unsere Filme mit vertreiben und uns ihre Filme zum Vertrieb in Deutschland anbieten. Mit einem französischen Partner beginnen gerade gute Gespräche über mögliche Kooperationen. Mit unserer Unterstützung haben sie ebenfalls MEDIA-Gelder in einem neuen Call beantragt. Der Motor des Ganzen aber sind wir. Zusammen mit unserem Technologiepartner, der Stiftung Kulturserver gGmbH, treiben wir trotz der zur Zeit noch schwierigen finanziellen Lage mit viel persönlichem Engagement aller Beteiligter die Software-Entwicklung voran. Einen ersten Prototyp wollen wir zum Dokfestival Leipzig der Fachöffentlichkeit vorstellen.

MEDIA gibt die Hälfte - Der Rest muss von uns kommen

MEDIA fördert immer nur höchstens 50% eines Gesamtbudgets. Der Förderbetrag von 300.000 EUR pro Jahr ist nur knapp die Hälfte der zur Umsetzung unserer Ziele notwendigen Summe, die wir für das erste Jahr auf 665.000 EUR kalkuliert haben. Der relativ hohe Betrag ergibt sich, da wir das Portal von vornherein nicht nur auf Deutschland beschränkt haben, sondern von Anfang an ganz Europa im Blick haben. Dies war natürlich auch eine Bedingung, um überhaupt von MEDIA gefördert werden zu können. Dementsprechend muß alles mehrsprachig konzipiert, groß genug dimensioniert und natürlich so programmiert werden, dass es der Dynamik des Internets gewachsen ist. Außerdem müssen wir die Gründungspartner bei der Einrichtung Ihrer Partner-Portale unterstützen und nicht zuletzt selbst genügend Arbeitskraft zur Verfügung haben, um unser deutschsprachiges Portal gemeinsam zu füllen und bekannt zu machen.

Um also die zugesagte MEDIA-Förderung auch ausgezahlt zu bekommen, müssen wir den Differenzbetrag von 365.000 EUR aufbringen.

Wir wollen diese Gegenfinanzierung zum größten Teil durch die Ausgabe neuer Aktien aufbringen.

Deshalb brauchen wir jetzt auch Ihre Unterstützung!
Um unseren gemeinsamen Marktplatz im Internet zu eröffnen und in Fahrt zu bringen.
Unser Ziel ist es die Gegenfinanzierung vorrangig durch die Ausgabe neuer Aktien zu finanzieren. Dafür wollen wir zwischen 500 und 1.000 EUR von jedem neuen Aktionär für das ONLINEFILM.org-Projekt zusammenzutragen und den Besitz an der Plattform auf noch mehr potentielle Anbieter/Nutzer zu verteilen. Für die Mindesteinlage von 500 Euro bekommen Sie 200 vinkulierte Namensaktien. Damit keiner bei uns die Mehrheit übernehmen kann, haben wir das Stimmrecht auf höchstens 5% begrenzt, egal wie viele Aktien ein Einzelner besitzt.

Die genauen Konditionen und den Zeichnungsschein können Sie demnächst auf unserer Webpage www.onlinefilm.org herunterladen. Um sich immer aktuell über den Projektfortschritt informieren zu lassen, bitten wir Sie, dort unseren Newsletter zu abonnieren.

PDF der Präsentation

1. Einführung

Jeder weiß, dass es sie gibt, aber kaum einer schenkt ihnen beim Abschluss von Verträgen die gebührende Aufmerksamkeit – die sogenannten „Online-Rechte“. Während es den Sendern beim Abschluss von Auftrags-, Koproduktions- und Lizenzverträgen bisher primär um die Übertragung der Senderechte für Kabel, Satellit und die terrestrische Ausstrahlung ging, enthalten Senderverträge neueren Datums nunmehr umfangreiche Rechtedefinitionen, die die vielfältigen technischen Neuerungen der letzten Jahre beinhalten. So umfaßt z.B. eine aktuelle Rechteübertragung des ZDF folgende Klauseln:

„... alle Arten und Formen der Verwertung für Fernsehzwecke jeder Art und unabhängig von
- der Art der verwendeten Übertragungstechnik und Übertragungswege, wie z.B. terrestrisch, Kabel (Glasfaser, Kupfer etc.),Satellit, Telefonleitung und -netze (auch drahtlos), Breitband-, Internet-und IP-basierte Übertragungstechniken, DSL, DVB-T, DMB, DVB H, Video Live-Streaming, Verteildienste in Form von Fernsehtext und vergleichbaren Textdiensten und/oder entsprechend Nachfolgetechnologien,
- der Art des zu verwendenden Empfangs- und/oder Anzeigegerätes, wie z.B. Fernsehgeräte, PCs, Computerbildschirme, mobile Endgeräte, wie Notebooks, Mobiltelefone etc.,
- einem unentgeltlichen Bezug der Fernsehsendung oder einementgeltlichen Bezug der Fernsehsendung in Pay- Diensten (wie beispielsweise im Pay-TV einschließlich Pay-per-Channel, Payper- View, Near-Video-on-Demand)
- und/oder sonstigen Verbreitungsarten und/oder Medien.

[...] Mitumfasst ist insbesondere auch die Einspeicherung in Datenbanken und die öffentliche Zugänglichmachung auf Abruf (Recht der öffentlichen Zugänglichmachung , wie z.B. video-on-demand-Nutzungen, in Abrufdiensten, in online- Diensten), bei denen Text-, Ton- oder Bilddarbietungen auf Anforderung aus elektronischen Speichern zur Nutzung übermittelt werden, wobei die öffentliche Zugänglichmachung des Werkes in der Weise erfolgen kann, dass Angehörige der Öffentlichkeit an einem von diesen individuell gewählten Ort oder zu einer von diesen individuell gewählten Zeit Zugang zu diesen Werken haben. Die Rechteeinräumung erfolgt unabhängig davon, ob es sich um eine rundfunkmässige oder außerrundfunkmässige Verwertung handelt.“

Neben der Verwendung unterschiedlicher Begrifflichkeiten durch verschiedene Nutzer solcher Formulierungen erschwert die Frage, wie die neuen technischen Entwicklungen rechtlich überhaupt einzuordnen sind, das Verhandeln der Vertragsdetails. Um hier Abhilfe zu schaffen, soll im Folgenden daher kurz ein Überblick über die wichtigsten Begriffe, die rechtliche Einordnung der verschiedenen Auswertungsformen und über mit der Auswertung verbundene Probleme gegeben werden.

2. Urheberrechtliche Grundlagen und in Verträgen benutzte Begriffe

Nach der Definition im deutschen Urheberrechtsgesetz (UrhG) ist das Senderecht das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 20 UrhG). Die Übertragung erfolgt dabei meist unabhängig von der verwendeten Übertragungstechnik und dem Empfangsgerät (Fernseher, Handy, mobile Endgeräte, etc.), eine Unterscheidung findet jedoch oft nach entgeltlicher (Pay-TV) oder unentgeltlicher (Free-TV) Zugänglichmachung statt. Im Bereich des Pay-TV wird außerdem noch zwischen folgenden Diensten entschieden:

Pay per Channel: der Empfänger entrichtet ein Entgelt für die Nutzung eines vollständigen Kanals oder einer Mehrzahl von Kanälen; idR werden Programmpakete angeboten

Pay per View: der Zuschauer zahlt hierbei nur für einzelne Sendungen, die zum angegebenen oder gewünschten Termin freigeschaltet werden

Near Video on Demand: hier werden die Sendungen in Abständen wiederholt, um dem Zuschauer den Empfang zu verschiedenen Zeitpunkten zu ermöglichen.

Neben dem Senderecht gibt es nunmehr das sogenannte Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, welches als das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist, definiert wird (§ 19a UrhG). Hauptanwendung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung ist dabei Video-on-Demand (VoD), ein Service, der es den Teilnehmern ermöglicht, zu jeder beliebigen Zeit aus einer Auswahl von Videofilmen einen Film abzurufen und abzuspielen. Der Film kann dabei entweder mittels Streaming oder mit der Möglichkeit der Speicherung (Download, Download-to-own, Download-to-rent) abgerufen werden.

Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung der Sende- und Abrufrechte ist die Frage, ob es dem Nutzer möglich ist, über den Zeitpunkt der Nutzung selbst zu entscheiden (dann Abruf) oder nicht (dann Sendung). Auch wenn dieses Kriterium in den meisten Fällen hilft, ein Angebot rechtlich einzuordnen, so gibt es verschiedene Fälle, in denen die Einordnung noch umstritten ist. So wird z.B. VoD mit der Möglichkeit des Speicherns zum Teil unter das Videogramm- bzw. Vervielfältigungsrecht und nicht – wie hier vertreten - unter das Abrufrecht subsumiert. Das
zeitgleich zur Sendung angebotene Live-Streaming mit Echtzeitübertragung ist dagegen nach überwiegender Auffassung dem Senderecht zuzuordnen.

Wird eine Verwertungsform im Rahmen einer Rechteübertragung unter ein „falsches“ Recht subsumierte, so ist die Rechteübertragung trotz falscher Betitelung wirksam. Sollen im Rahmen eines Vertrages nicht asämtliche Rechte vollumfänglich übertragen werden, so ist daher unbedingt erforderlich, nicht nur die Überschrift der jeweiligen Rechtedefinition, sondern auch die Definition selbst zu überprüfen.

3. IPTV - Internetfernsehen: was ist das? Kann es als eigenes Recht separat übertragen werden?

Neben Kabel, Satellit und der terrestrischen Ausstrahlung gibt es nun noch einen vierten Übertragungsweg: IPTV. Unter IPTV versteht man die Übertragung von Fernsehprogrammen über ein digitales, breitbandiges Datennetz mit Hilfe des Internet-Protokolls IP. Fälschlicherweise oft mit Internet-TV gleich gesetzt, beinhaltet es neben Internet-TV (Streaming von TV-Programmen) vor allem Broadcast-TV (Live-TV, das meist nur für Kunden des Providers zur Verfügung steht) und zeitversetztes Fernsehen in Form von VoD.

Wie die Verwirrungen um die Vergabe der Auswertungsrechte an der Fußball-Bundesliga im Jahr 2006 gezeigt haben, herrscht zum Teil Unverständnis darüber, in welcher Form die Rechteübertragung z.B. an einen Sender für IPTV/Internetfernsehen, zu erfolgen hat.

IPTV selbst ist keine eigenen Nutzungsart, sondern lediglich ein vierter Verbreitungsweg. Soll Programm im Internet verwertet werden, so können nicht lediglich „Internetrechte“ lizenziert werden. Vielmehr ist die Art der jeweiligen Nutzung zu unterscheiden: werden die Senderechte übertragen, so wird dadurch auch die Möglichkeit des Live-Streamings (die Echtzeitübertragung von Inhalten im Internet) eröffnet. Werden Abrufrechte übertragen, so wird die Möglichkeit der Nutzung im Bereich VoD (zeitversetzt, Zeitpunkt des Abrufs nach Wahl des Nutzers) geschaffen.

4. Problemfälle

- territoriale Beschränkbarkeit, Geolocation

Eines der größten Probleme der „neuen“ Nutzungsarten ist die Frage, wie man die Nutzung territorial einschränken kann. Derzeit wird vor allem in deutschen Senderverträgen versucht, das Problem über Sprachfassungen oder über eine Aufteilung von Top-Level-Domains (TLD) zwischen Produzent und Sender zu lösen (z.B. .de, .at, .com, .info). Daneben gibt es noch die Möglichkeit des Geo-Blocking, bei dem die IP-Adresse des jeweiligen Internetnutzers, die auf den geographischen Standort des Nutzers schließen lässt, ausgelesen. Befindet sich der geographische Standort des Nutzers außerhalb z.B. eines Lizenzgebietes, so wird ihm dann der Zugriff auf die Inhalte verweigert. Im Rahmen der Geo-Location wiederum wird der Nutzer aufgrund der geographischen Zuordnung seines Standortes auf eine bestimmte, jeweils landestypische Startseite verwiesen. Diese Technologie wird von vielen Webservern u.a. benutzt, um den Inhalt unmittelbar in der Landessprache anzuzeigen (z.B. google, amazon oder eBay), in bestimmten Ländern modifizierte Seiten darzustellen oder um Downloads auf Staatsbürger bestimmter Regionen zu beschränken. Da Geo-Blocking bzw. Geo-Location durch deutsche Sender derzeit noch nicht stattfindet, ist auf eine konforme Regelung der territorialen Aufteilung der verschiedenen Auswertungsverträge zu achten.

- Einfluss auf Weltvertrieb

Weltvertriebe bestehen auf abgegrenzte Territorien, um dementsprechend die Filme verkaufen zu können. Problematisch wird dies, wenn für bestimmte Sprachfassungen weltweit Live-Streaming-Rechte übertragen werden. So lässt sich z.B. das ZDF auch bei Koproduktionen, an denen es an sich nur die deutschen Senderechte erwirbt, zusätzlich weltweit die deutschspachigen Live-Streaming-Rechte einräumen. Einige Weltvertriebe sehen darin eine Einschränkung ihrer Vertriebsmöglichkeiten und nehmen in solchen Fällen von einem Vertragsschluss Abstand.

- Fremdrechteklärung, insbesondere Musik bei Koproduktionen

Auch für den Fremdrechteerwerb (Archivmaterial, Musik) ist die Unterscheidung, welches Recht erworben werden muss, von großer Bedeutung. So genügt für die Nutzung im Wege des Live-streamings der Erwerb der Senderechte. In Produktionsverträgen mit deutschen Sendern sollte aber darauf geachtet werden, dass der Produzent nur zum Rechte für Deutschland oder den deutschsprachigen Raum (wenn 3sat dabei ist) verpflichtet wird. Das Risiko des weltweiten Empfangs des Live-streaming sollte klar vom Sender übernommen werden.

Gesondert sind außerdem die Rechte für eine VoD-Nutzung zu erwerben. Erfolgt keine territoriale Beschränkung (s.o.) der Nutzer, so bedeutet dies, dass weltweite Rechte erworben werden müssen. Bei dem Erwerb des Filmherstellungsrechts für die Nutzung der Musik im Film kann dies im Extremfall Beträge von über € 500 pro Sekunde ausmachen.

Ob das GEMA-Rahmenabkommen für Auftragsproduktionen auch die weltweite Auswertung der Produktion im Rahmen des Live-Streamings abdeckt, ist noch unklar. Gleiches gilt für die von der GVL wahrgenommenen Rechte.

- Darstellung von Personen im Film – Darf ich meine Filme auch zum Download im Internet anbieten?

Werden Filmaufnahmen von einer Person erstellt - sei es als Protagonist oder auch nur als Statist –, die im Rahmen einer Film- oder Fernsehproduktion ausgewertet werden sollen, so ist gemäß § 22 Kunsturhebergesetzt (KUG) hierfür die vorherige Einwilligung des Dargestellten erforderlich. Liegt eine solche Einwilligung nicht vor, so darf das Material, auf denen Personen erkennbar dargestellt sind, nur in
den speziellen Fällen des § 23 KUG verbreitet werden.

Auch wenn aus Beweiszwecken die schriftliche Einwilligung – soweit praktikabel- vorzuziehen ist, kann diese auch mündlich oder konkludent erfolgen. Bei letzterem handelt die dargestellt Person so, dass man von ihrem schlüssigem Verhalten auf ihre Einwilligung schließen kann - ohne dass die Einwilligung ausdrücklich erfolgt, z.B. wenn ein Betroffener vor erkennbar laufender Kamera Fragen eines Reporters beantwortet.

Die zentrale Frage bei der Einwilligung ist immer, in welchem Umfang der Dargestellte der Auswertung der Filmaufnahmen zustimmt. Unproblematisch ist es, wenn die Einwilligung schriftlich erfolgt und die Verwertungsarten einzeln und explizit aufgeführt werden. Schwieriger ist es jedoch, wenn die Einwilligung konkludent erfolgt oder aber schriftlich und nur mit einem pauschalen Verweis auf die Auswertung der Aufnahmen „in allen Medien“. Erklärt ein Betroffener, indem er vor laufender Kamera Fragen beantwortet, damit auch sein Einverständnis für eine weitergehende Auswertung des Films, also z.B. auch im Bereich VoD ?

Juristisch gesehen kommt hier die sogenannte Zweckübertragungslehre aus dem Urheberrecht zum Einsatz. Die besagt, dass die Einwilligung – soweit nicht ausdrücklich durch eine eindeutige Aufzählung der Rechte anders vereinbart - in der Regel nur so weit reicht, wie der mit ihrer Erteilung verfolgte Zweck. Das heißt, dass für den bewilligten Umfang der Auswertung entscheidend ist, für welche beabsichtigte Veröffentlichung der Betroffene seine Einwilligung gegeben hat. Weiter reicht die Einwilligung nicht. Hat jemand deutlich gemacht, dass er mit den Filmaufnahmen einverstanden ist, ohne dass ihm genau erklärt wurde, in welchem Umfang die Produktion ausgewertet werden soll, so reicht das Einverständnis lediglich für die Auswertung im Kino sowie im Bereich der Senderechte, nicht jedoch darüber hinaus. Sollen jedoch
die Filmaufnahmen auch für Abrufdienste wie z.B. VoD verwendet werden, so ist hierfür die explizite Einwilligung des Dargestellten erforderlich. Hat er diese nicht gegeben, kann der Betroffene gerichtlich die VoD-Auswertung des Films untersagen lassen und zudem ggf. noch Schadensersatzansprüche geltend machen.

4. Sollte man die Online-Rechte quasi umsonst weitergeben ?

Derzeit steckt die Online-Auswertung noch in den Kinderschuhen. Auch wenn derzeit bereits 53,5 % der Deutschen das Internet nutzen, erhält die TV-Nutzung im Rahmen des täglichen Medienkonsums mit 220 Minuten vor der Internet-Nutzung mit derzeit 44 Minuten noch deutlich den Vorzug (bei Jugendlichen liegen die Werte bereits anders: hier erfolgt eine tägliche TV-Nutzung von 108 Minuten während die Internetnutzung mit 101 Minuten schon fast gleich gezogen hat). Langfristig geht der Trend jedoch weg vom klassischen Fernsehen und hin zum Internet, und damit zu Internet-TV und VoD. Gerade die Möglichkeit des Zuschauers, selber zu entscheiden wann und was er sich anschaut, wird – auch auf Kosten der herkömmlichen Video- und DVDAuswertung - insbesondere im Bereich VoD zu einem hohen Zuwachs an Nutzern führen. So wird prognostiziert, dass bereits 2015 ca. 25 % aller deutschen Haushalte VoD-Services nutzen werden – und zwar neben oder sogar anstelle des herkömmlichen Fernsehens. Da der Empfang von Internetfernsehen und der Abruf von VoD über eine sog. Set Top Box auch direkt auf den Fernsehbildschirm erfolgen kann und der Zuschauer damit auch qualitativ keine Einbußen hinnehmen muss, wird trotz eines Entgeltes für die VoD-Services langfristig ein Wandel zu diesem individuellen und personalisierten Service erfolgen.

Da neben den Sender auch Internet Service Provider, Rechtehändler und beliebige Andere im Internet Inhalte anbieten werden, besteht für den Produzenten grundsätzlich die Möglichkeit, sich hier zusätzliche Vertriebswege und damit zusätzliche Einnahmequellen mit weiteren Partnern für sein Programm zu erschließen. Auf der anderen Seite finden jedoch auch die klassischen Sender immer mehr ihren Weg ins Internet und stellen dort – kostenlos oder gegen Vergütung – Inhalte zur Verfügung. So stellt z.B. das ZDF mittlerweile für sieben Tage nach Ausstrahlung Teile des Programms im Internet kostenlos zum Download zur Verfügung. Um entsprechende Inhalte zur Verfügung stellen zu können, verlangen Sender von den Produzenten im Rahmen von Auftrags-, Lizenz- und Koproduktionsverträgen daher zunehmend auch die Übertragung der Abrufrechte. Da die Auswertung im Internet und speziell im Bereich VoD zu weiteren Einnahmen führt, sollte die Vergabe dieser Rechte an die Sender nur gegen die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung oder einer Erlösbeteiligung erfolgen. Ansonsten sollten die Rechte zurückbehalten und gegen eine entsprechende Erlösbeteiligung an Dritte übertragen werden.

5. Zusammenfassung

Zusammenfassend ist auf folgendes hinzuweisen:

1. Bei der Übertragung von Rechten an Programm ist darauf zu achten, dass zwischen den Sende- und Abrufrechten explizit unterschieden wird. Ist der Rechteübertragung eine Rechtedefinition beigefügt, so ist auch diese zu beachten, da auch trotz falscher Betitelung der Rechte diese übertragen werden.

2. „Internetrechte“ können nicht pauschal übertragen werden und auch eine Aufteilung nach Empfangsgerät oder Übertragungstechnik ist nicht möglich. Vielmehr ist eine Abgrenzung nach Sende- und Abrufrechten vorzunehmen.

3. Da Geo-Blocking bzw. Geo-Location durch deutsche Sender derzeit noch nicht stattfindet, ist auf eine konforme Regelung der territorialen Aufteilung der verschiedenen Auswertungsverträge zu achten.

4. Wird die Möglichkeit des Live-Streamings territorial nicht begrenzt, so ist die Lizenzierung von Fremdmaterial dementsprechend vorzunehmen.

5. Werden Personen im Film dargestellt, so umfasst die für die Auswertung des Films erforderliche Einwilligung des Dargestellten die Auswertung der Abrufrechte nur, wenn dies explizit vereinbart bzw. klar gestellt wurde.

6. Da in den nächsten Jahren die VoD-Nutzung stark zunehmen wird, sollten die Abrufrechte an einem Film nur gegen ein zusätzliches Lizenzentgelt bzw. eine entsprechende Erlösbeteiligung übertragen werden.

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Eine Kooperation zwischen der Dokumentarfilminitiative, der Landeszentrale für politische Bildung NRW, der Kino Gesellschaft Köln und dem VFFV. Gefördert vom Ministerpräsidenten des Landes NRW.