Dokumentarfilminitiative
Buchcover Band 24. Leuchtend rosa mit weißen, unregelmäßigen horizontalen Linien. Daraus in schwarz bzw. weiß:  Luc Dardenne. Die Rückseite unserer Bilder I (1991–2005)  herausgegeben von Marcus Seibert . Darunter schwarz in weißem Feld: VORWERK (:

Buchpräsentation und Eröffnung der Filmreihe zu Jean-Pierre und Luc Dardenne

am Mittwoch 12.3. um 20 Uhr in der Black Box, Düsseldorf

Anlässlich des Erscheinens des Buches Luc Dardenne: Die Rückseite unserer Bilder I (1991–2005), übersetzt und herausgegeben von Marcus Seibert und Band 24 der dfi-Reihe "Texte zum Dokumentarfilm" wird im Filmmuseum Düsseldorf eine Werkschau der Filme von Jean-Pierre und Luc Dardenne gezeigt.

Buchvorstellung und Eröffnung der Filmreihe

LE CHANT DU ROSSIGNOL. B 1978 · 52 min · OmU · digitalHD · ab 18 · R/B/K: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne

LE CHANT DU ROSSIGNOL, einer der frühen Filme von Jean-Pierre und Luc Dardenne, zeigt bereits Ansätze jener filmischen Handschrift, die später ihr Werk prägen sollte. Der dokumen - tarische Stil und die Konzentration auf soziale Marginalisierung deuten darauf hin, wie intensiv sich die Brüder mit den Bedingungen menschlicher Existenz auseinandersetzen. Der Film, inspiriert von den Werken des Widerstandskämpfers und Journalisten Albert Jacquard, untersucht die Auswirkungen von sozialer Isolation und Ungleichheit auf Gemeinschaften, ohne dabei belehrend oder moralisch zu werden. Im Zentrum steht eine lose verknüpfte Erzählung, die das Leben von Arbeiter*innenfamilien in einer belgischen Industriestadt beschreibt. In fragmentarischen Episoden verwebt der Film intime Momente mit einem kritischen Blick auf die politischen und ökon-omischen Zwänge, denen die Figuren unterworfen sind. LE CHANT DU ROSSIGNOL ist dabei weniger ein Narrativ als ein Versuch, soziale Strukturen sichtbar zu machen und hinter die Oberfläche des Gezeigten zu blicken.

Vor Filmbeginn wird Marcus Seibert (Herausgeber und Übersetzer) das Buch Die Rückseite unserer Bilder I (1991–2005) von Luc Dardenne vorstellen.

Die Filmreihe

Das Filmmuseum bietet in Kooperation mit der Filmwerkstatt Düsseldorf durch die Präsentation des Gesamtwerkes eine filmische Auseinandersetzung mit den sozialen und ökonomischen Bruchstellen unserer Zeit. Seit ihrem internationalen Durchbruch mit LA PROMESSE im Jahr 1996 widmen sich die Brüder einer präzisen, unaufdringlichen Inszenierung, die den Menschen im Kontext seiner sozialen Bedingungen zeigt, ohne diese je zu isolieren. Ihre Filme zeichnen sich durch eine formale Strenge und moralische Komplexität aus, die sich konsequent der Perspektive der Marginalisierten und jener, die unter dem Druck des neoliberalen Wettbewerbs an den Rand gedrängt werden, verschreiben.

Im Zentrum stehen stets Figuren, die nicht nur vom gesellschaftlichen System übersehen, sondern aktiv ausgeschlossen werden: Jugendliche ohne familiären Halt, Arbeitssuchende, die um ihre Existenz kämpfen, oder Migrant:innen, deren Leben von ökonomischer Verwertungslogik bestimmt ist – die Dardennes erzählen von Menschen, deren Lebensrealitäten in politischen oder wirtschaftlichen Diskursen oftmals nur als Fußnoten erscheinen. Dabei geht es den beiden Regisseuren weniger um eine sentimentale Opferperspektive als um die Darstellung eines Ringens um Würde, Autonomie und Bindung in einer Welt, die ihnen solche Werte systematisch abspricht. 

Formal nähert sich das Werk der Brüder einer dokumentarischen Präzision, die durch lange Einstellungen, natürliche Beleuchtung und die enge Verfolgung ihrer Figuren die Körperlichkeit des Gezeigten betont. Besonders die unruhige Kameraführung – dicht an den Protagonistinnen, oft deren Rücken folgend – macht die Zuschauenden zu Begleiterinnen und Zeug*innen, die das Gefühl von Bewegung und Rastlosigkeit teilen. So wird die materielle Welt der Figuren, ihre Umgebung, ihre Arbeit und ihre Handlungen zum Ausdruck der strukturellen Gewalt, unter der sie stehen. Doch diese Nähe ist nicht voyeuristisch; sie erzeugt keine Betroffenheit, sondern hinterfragt die Bedingungen ihrer Existenz.

Die Kapitalismuskritik der Dardennes ist subtil, aber konsequent. Ihre Filme verweben individuelle Schicksale mit den Mechanismen eines Systems, das Solidarität durch Konkurrenz ersetzt und soziale Bindungen ökonomischen Kalkülen unterordnet. In ihrer Bildsprache liegt keine Anklage, sondern die Aufforderung, den Blick auf die Brüche der Gesellschaft zu richten, die im Verborgenen wirken.

Mittwoch 12. März 20 Uhr:
Eröffnung der Filmreihe mit Buchvorstellung von Marcus Seibert (Hrsg.) in der Black Box.

Samstag 26. April:
Masterclass mit Luc Dardenne in der Filmwerkstatt Düsseldorf, Anmeldung unter wagner@filmwerkstatt-duesseldorf.de

Sonntag 27. April 18 Uhr:
Publikumsgespräch mit Luc Dardenne in der Black Box

Mehr zum Programm der Filmreihe

Eine Veranstaltung des Filmmuseum Düsseldorf in Kooperation mit der Filmwerkstatt Düsseldorf