Impulsvortrag

Dokumentar-Film-Kultur
Teil 2: Eigensinnige Filme

Growing a Festival´s Audience
Roger Gonin (Clermont-Ferrand Short Film Festival)

 

Zum Kurzfilmfestival:
Clermont-Ferrand liegt mitten in Frankreich, auf der Höhe von Lyon in Richtung Westen. Die Stadt hat 265.000 Einwohner, davon sind 38.000 Studenten. Entwickelt hat sich das Festival aus einem studentischen Kollektiv, inzwischen ist es das größte Kurzfilmfestival der Welt. Fünf Hauptaufgaben des Festivals, das im Kulturzentrum namens „La Jetée“ (Chris Marker) stattfindet: Festival, Markt, Bildung und Training, Ressource Centre, Film Commission. Das Kulturhaus bietet mehr als 1.100 Plätze. 22 feste Mitarbeiter, bezahlt von der Stadt, und rund 300 Freiwillige. Findet im Februar an 9 Tagen statt. 2018 fand die 40zigste Ausgabe des Festivals statt. Es werden 72 Programme pro Festivalausgabe gezeigt.

Zum Festival: es gibt die Wettbewerbe sowie 41 Side Programmes: Retrospektiven, thematische Reihen, Angebote für Kinder. Filme werden auch in kommerziellen Kinos gezeigt. Zwei Schwimmbänder in CF, auch dort kann man Filme sehen.
Programm wird sehr abwechslungsreich gestaltet, verschiedene Länder und Themen werden abgedeckt.

Zum Short Film Market: 3.500 Unternehmen aus 77 Ländern, quasi eine Messe, auf der 34 verschiedene Länder ausstellen. Meeting-place. Master Class. The Video Library. 39 box-video, 8.000 Filme können dort angesehen werden. Beobachtung: TV Stations kaufen nicht mehr so viel wie früher.

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Zu Education & Training: verschiedene Altersgruppen, von Schulklassen besucht. Außerdem gibt es ein freies Kinderprogramm für Kinder ab 13 Jahren; sie haben die Möglichkeit Filmkritik zu äußern beim Young Critics Competition. Sie können auch selbst Filme gestalten oder ein Filmset bauen.

L’Atelier, Workshop, Festival funktioniert als „Ephemeral Film School“.

Auch kleinere Kinder können sich beteiligen und einen Animationsfilm drehen. Es gibt educational online tools: From sound to image, a serial game on sound at the cinemage (ab 8 Jahre), weiterhin gibt es auf der Homepage viele Downloads für die Filmbildung.
Es gibt Trainingsangebote für Lehrer das ganze Jahr über, nicht nur während des Festivals. Die Angebote umfassen ebenso lange Filme und sie finden grundsätzlich im Kino statt. Es werden Filme beim Festival gezeigt, die Potenzial haben für SchülerInnen.
Das Angebot umfasst auch einen Server, auf den die Schulen zurückgreifen können. Es gibt ein Extra-Poster bzw. ein leafleat zu den Kinderprogrammen und sonstigen Angeboten.
Während des Filmfestivals treffen sich die französischen Filmbildner, Lehrer etc. in CF, um sich national zu vernetzen und sich auszutauschen. So wird CF ebenso Teil eines größeren Systems.

Zuletzt: Die Auvergne Film Commission stellt sich auf jedem Festival vor und informiert.

Zu den Ticketpreisen: 1 Ticket: 3,50€, 1 Booklet of 15 Tickets: 35€, 1 Booklet of 30 Tickets: 60€. Booklet Tickets können von verschiedenen Personen genutzt werden. Es wird versucht, das Festival so günstig wie möglich anzubieten. Sie verteidigen die niedrigen Ticketpreise gegenüber der Politik und den Sponsoren, die immer die Preise erhöhen wollen und versuchen stattdessen erhöhte Mittel zu bekommen. Es gibt weiterhin spezielle Angebote für Gruppen und Companies, die Ticketkontingente kaufen können.

Total Budget: 3 Million Euro (davon bekommt das Festival 54%, Market 21%, … Salaries 43%). Der Hauptsponsor ist Canal+ oder auch Michelin (es dauerte lange, bis eine solche Firma warm wurde mit dem Kinokollektiv, das schließlich das Festival betrieb).

Fazit Gonin: Kurzfilmfestivals sind Teil von und geeignet für Kunstvermittlung und Bildung, Filme zugänglich zu machen für das breite Publikum. Der Ruf des Kurzfilms hat sich entscheidend zum Positiven verändert, beim Publikum und bei der Kritik sowie der Politik.

DISKUSSION
Frage von Bachmann an Gonin: Was hat das Kurzfilmfestival für die Filmvermittlung gemacht? Was sind die benefits?

Gonin: Wir versuchen die Programme so zu bauen, dass es immer was zu entdecken gibt. Filmbildung ist inzwischen Teil der allgemeinen Bildung (general education). Früher galt das Festival nur als Ort für film professionals. Jetzt ist das anders. Zum Beispiel das Kinder-Programm: Sie sind total begeistert von den Filmen und Aktionen. Das ist etwas sehr wichtiges. Sie kommen mit ihren Eltern und es ist schön für sie, die Kinder dafür begeistern zu können. Wir versuchen eine große Bandbreite anzubieten für jedes Alter. Wir versuchen anspruchsvolle Filme, aber auch solche zu zeigen, die nicht ganz so kompliziert sind, von denen man sich berieseln lassen kann. Diese Art der Programmierung, diese Organisation, trägt dazu bei, dass das Interesse beim Publikum geweckt wird. Es hat Vertrauen in unsere Auswahl. Vielfalt an Auswahlmöglichkeiten. Wenn das Publikum zufrieden ist, gibt uns das ein gutes Gefühl. Wir kämpfen dafür, dass auf der ganzen Welt solche Filme gemacht werden, dafür, dass FilmemacherInnen an sich glauben und weitermachen. Es geht nicht um das große Geld, nicht nur um Marketing. Das was wir geschaffen haben, können auch andere Leute schaffen, es ist nicht so kompliziert wie es scheint. Wir haben damals auch einfach die Filme gezeigt, die wir mochten und daraus entstand das Clermont-Ferrand-Festival. Ein Aspekt ist auch, dass wir auf dem Festival so viele Filme zeigen, dass sie vielleicht nicht jedem gefallen, aber auch darum geht es, das anzunehmen und etwas anderes für sich zu entdecken.

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O. S.: Wie können wir das Kino für neue, junge Leute attraktiver gestalten und sie motivieren? Wie schafft man es, LehrerInnen für das Thema zu begeistern?

Bachmann: Roger Gonin, Sie machen das, was sie machen seit 30 Jahren, sie haben sich das also aufgebaut. Ist das das Geheimnis?

Gonin: Es ist kein Geheimnis. Filmbildung (National Film Board) muss national in den Bildungsplan eingegliedert werden, dort wird Geld verteilt. So werden SchülerInnen auf den Film vorbereitet, jedes Jahr sollen die SchülerInnen drei Filme gesehen haben im ganzen Land, dafür muss man kämpfen. Es ist auch eine Sache des Geldes. […]

Bachmann: Ein Teil des Geldes, das durch Kino-Tickets eingenommen wird in Frankreich, geht wieder in die Filmförderung? Ist das richtig?

Gonin: Ja, genau. Bei der Filmbildung kooperieren das National Film Centre mit den Ministerien für Erziehung und Kultur. Es sind solche Dinge, die das erleichtern, Filme zugänglicher zu machen. Für Leute wie mich ist das sehr wichtig, dass Leute ins Kino gehen können und nicht denken, dass es zu teuer ist, deshalb halten wir das auch so günstig auf dem Festival mit den Eintrittstickets.

Bachmann: Ist es oft auch so, dass nach so einem Festival, bei dem man jeden Tag mehrere Filme sieht, danach wieder ein Jahr nicht ins Kino geht?

Gonin: Das hat auch etwas mit Promotion des Films zu tun. Kino darf sich nicht auf Events beschränken. Wir haben das immer bekämpft. Es muss um die Integration in den Alltag gehen.

M. Z.: Vielleicht kann ich etwas ergänzen. Die Leute kommen zusammen, um gemeinsam Filme zu sehen. Das ist das Gefühl, was ein Festival vermittelt. Wir können hier mehr empfinden als nur das Kino zu lieben. Es ist ein Ort, an dem viele Leute zusammenkommen, aus allen Altersgruppen. Hier geht es nicht um große Stars, sondern um Tradition. Ihre Präsentation ist ein exzellentes Beispiel für Filmbildung, der Film steht im Mittelpunkt, Leute kommen zusammen.

Bachmann: Einen Ort zu haben, an dem Leute zusammenkommen und sprechen können ist etwas Schönes. Ich glaube, es gibt keinen Ort bei der Berlinale zum Beispiel, an dem man über die Filme sprechen kann, nachdem man sie gesehen hat. Daher ist es auch kein politisches Festival, sondern ein kommerzielles. Bei dem Clermont-Ferrand-Festival verbinden sich Menschen und können sich austauschen. Das wird bei der Berlinale nicht ermöglicht.

Gonin: Das versuchen wir, alle Leute zusammenzubringen, nicht nur das Publikum, alle Beteiligten.

Herpich: Bei der Berlinale ist es so, dass keine Kino-Kultur stattfindet, es ist einfach ein Event.

Gonin: Mir sagte jemand, er hasse das Kurzfilmfestival in Clermont-Ferrand, weil alle Leute so viel sprechen, aber das ist das, was ich so schätze. Filme sind genau das. Es geht um Anregung, sich über Filme aufzuregen und die Interaktionen zwischen dem Publikum.

M. Z.: Es muss etwas Ähnliches geben für den Alltag mit Filmen. Ein Zwischending.

Suchsland: Wissen Sie, wie viele Menschen aus Clermont Ferrand kommen und wie viele von außerhalb?

Gonin: Das ist immer schwierig zu sagen, es gibt keine Statistiken. Viele Leute kommen sicher aus der Nähe, aber eigentlich auch aus ganz Frankreich und von außerhalb. Es gibt Leute, die sich eine Woche Urlaub nahmen, um am Festival in CF teilzunehmen. Es gibt auch BesucherInnen, die sich anmelden und dann nicht kommen usw. Wir haben eigentlich Leute aus der ganzen Welt.

Suchsland: Wird auf dem Festival nur französisch gesprochen?

Gonin: Nein, auch englisch.

Bachmann: Es gibt die vielen medienpädagogischen Aktivitäten, die angeboten werden. Wer bietet sie an? Muss man extra dafür bezahlen? Das finde ich interessant. Woher bekommen Sie diese Leute?

Gonin: Jedes Jahr kaufen wir Filme, um sie zu zeigen. Wir fragen nach Leuten, die Vorträge halten möchten. Also wir zahlen FilmmacherInnen dafür, herzukommen. Wir kämpfen immer um diese Gelder, um das so gut es geht kostenlos anzubieten für die BesucherInnen.

Bachmann: Wie ist das mit Hardware und Software? Das ist auch alles sehr teuer.

Gonin: Wir mieten viel Technik an. Wir machen Kooperationen mit Unternehmen mit apple oder in einem Jahr auch mit Dell.

(Mitschrift: Lisa Smekens Rojas)